Ausgabe: spw 210

Gutes linkes Leben

Einleitung zum Heftschwerpunkt

Ein gutes Leben wünschen sich höchstwahrscheinlich alle Menschen in einer Gesellschaft. Doch die Palette an Antworten, wie dieses gute Leben denn konkret aussehen sollte, ist sehr heterogen. Lebensentwürfe sind emanzipierter geworden und vor allem jungen Menschen ist es wichtig, selbstbestimmt zu leben.
Gutes Leben braucht gute Lebensbedingungen und einen Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen wie z.B. zu Bildung, Finanzen, Mitbestimmung und sozialer Sicherung. Historisch wurde dies durch die ArbeiterInnenbewegung mit der Etablierung und dem Ausbau des modernen Wohlfahrtsstaats gegen die Interessen des Kapitals und der Monarchie erkämpft. Unter veränderten Bedingungen kann die politische Linke gesellschaftlichen Fortschritt und mehr Gerechtigkeit nur erreichen, wenn es ihr gelingt, diese Zugänge immer wieder zu erkämpfen, dem Wunsch nach mehr Teilhabe gerecht zu werden und so einen neuen Gesellschaftsvertrag für das 21. Jahrhundert zu ermöglichen. Aus diesem Grund müssen wir uns die Frage stellen, was denn aus linker Sicht ein gutes Leben ist oder sein kann. 

Artikel

Inhalt Heft 210

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Einleitung zum Schwerpunkt: Gutes linkes Leben

von Björn Hacker, Jan Krüger, Katharina Oerder, Max Reinhardt

Kurzum

von Felix Welti

Radikale Bescheidenheit

von Tom Strohschneider

Die SPD macht es einem nicht gerade schwer, sie von links zu kritisieren. Deshalb wird oft davon Gebrauch gemacht, allerdings werden viele Vorhaltungen an die Adresse der ältesten Partei in diesem Land von Motiven geleitet, die mit dem Zustand, mit dem Potenzial, mit der Zukunft der Sozialdemokratie nicht viel zu tun haben. Eher mit parteipolitischer Münze. Solches Kleingeld ist leicht ins Wasser geworfen, wo es rasch zu Grunde sinkt.
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Krisenerfahrungen zwischen solidarischen, individualistischen und autoritären Verarbeitungsformen

von Max Reinhardt, Stefan Stache

Der Artikel arbeitet kurz das Individualisierungstheorem kritisch auf und zeigt anhand von unterschiedlichen Forschungsarbeiten auf, dass die Solidarpraxis immer noch nachweisbar ist, trotz des zunehmenden Drucks auf den beruflichen und familialen Alltag. Solidarpraxis beschränkt sich dabei nicht nur auf eine Klasse, sondern zeigt sich in einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaft in unterschiedlichen Klassenfraktionen, aber auch klassenfraktionsübergreifend, wie hier exemplarisch dargelegt wird. mehr

Zeit, zu wachsen!

von Christina Schildmann

Das menschliche Leben ist keine Kette unverbundener und zufälliger Einzelereignisse – diese Erkenntnis hat sich in der Gesellschaftspolitik schon länger durchgesetzt. Entscheidungen, die an biografischen Knotenpunkten (Berufswahl, Heirat, Familiengründung, berufliche Neuorientierung etc.) getroffen werden, wirken sich auf weitere Entscheidungen aus, sie können in Sackgassen führen und neue Optionen eröffnen, das Spektrum der Möglichkeiten erweitern oder verengen. Die Lebensverlaufsperspektive gilt fortschrittlichen Kräften spätestens seit dem Erscheinen des 1. Gleichstellungsberichts der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2012 als Schlüssel für eine konsistente, zeitgemäße und wissenschaftlich fundierte Familien- und Gleichstellungspolitik. Inzwischen ist diese Erkenntnis auch in die Sphäre der Arbeitsmarktpolitik diffundiert. Und genau an der Schnittstelle von Arbeitsmarkt-, Familien und Geschlechterpolitik – und durchaus auch Gesundheitspolitik – kann eine progressive Lebens(arbeits)zeit-Politik stattfinden. Doch was ist das eigentlich?
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Kapitalismus ohne Wachstum oder Postwachstum jenseits des Kapitalismus?

von Dennis Eversberg, Barbara Muraca

Charakteristisch für die Form kapitalistischer Gesellschaften, wie wir sie in den Industrieländern des globalen Nordens kennen, ist ihre strukturelle Verbindung mit ökonomischem Wachstum, wie sie etwa im Fordismus einen paradigmatischen Ausdruck fand. Wenn wir hier über die Umbrüche der letzten 30 Jahre sprechen, setzen wir damit als Ausgangspunkt jedoch einen längst in die Krise geratenen, innerlich ausgehöhlten Fordismus, dessen zentrales Merkmal die Vorherrschaft von Arbeitslosigkeit als zentrales soziales Problem war. Heute jedoch müssen wir von einem flexiblen Kapitalismus sprechen, der sich in den letzten Jahren gebildet hat. Er wurde ermöglicht durch die Beseitigung politisch-geografischer (Ende der Systemkonkurrenz, „Globalisierung”) wie technologischer Schranken (mikroelektronische Revolution) der weiteren Expansion und Dynamisierung kapitalistischen Wirtschaftens.  mehr

Bildung, Lernen und Wissen im Kontext Guten Lebens

von Margit Rodrian-Pfennig

„Es gibt im Leben Augenblicke, da die Frage, ob man anders denken kann, als man denkt, und anders wahrnehmen kann, als man sieht, zum Weiterschauen oder Weiterdenken unentbehrlich ist“ (Foucault 1989: 15). Michel Foucault trifft diese Feststellung in der Einleitung zum 2. Band seiner Genealogie von „Sexualität und Wahrheit“. Die Frage selbst lohnt für Foucault die Anstrengungen und Mühen des Erkenntnisprozesses und treibt ihn voran. Sie ist also nicht nur zu lesen als philosophische Übung, sondern sie beinhaltet gewissermaßen ein Handlungsmoment, nämlich das „Irregehen dessen, der erkennt“ (ebd.). Übersetzt in Bildungszusammenhänge öffnet sie den Blick darauf, ob Bildung, Lernen und Wissen gewohnte und hegemonial verordnete Weltsichten verändern und neue Handlungsoptionen eröffnen können.  mehr

Stichwort Wirtschaftspolitik: Der „Fünf-Präsidenten-Bericht“

von Arne Heise

Die aktuelle Zahl: 522 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte

von Michael Reschke

Crossover: Mit links regieren

von Susanne Hennig-Wellsow

Der erste Beschluss, den die neue Thüringer Landesregierung im Dezember 2014 fasste, war ein Winterabschiebestopp für Flüchtlinge. Das Signal, das die drei Regierungsparteien Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und SPD damit aussenden wollten, war: Wir machen uns auf den Weg zu einer humanen Flüchtlingspolitik – und wir werden viele landespolitische Fragen anders angehen, als es die Vorgängerregierungen im Freistaat getan hatten. Der Winterabschiebestopp war der erste Baustein für eine Flüchtlingspolitik, die nicht auf Ausgrenzung und das Ziel der Abschiebung setzt, sondern die darauf setzt, aus Flüchtlingen Neubürgerinnen und Neubürger zu machen. Es geht darum, mit den Instrumenten des Landes eine wirkliche Integrations- und Willkommenskultur zu entwickeln. Und es geht darum, rassistischer Hetze und der politischen Instrumentalisierung des Themas durch die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) und die Thüringer CDU entgegenzutreten – denn es geht um Menschen.
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Kuba und USA als Systemfrage: Annäherungsversuche ungleicher Nachbarn

von Edgar Göll

Aufbruch für ein neues Europa

von Karl-Martin Hentschel

Am 17. Dezember 2014 verkündeten US-Präsident Barack Obama und der kubanische Staatspräsident Raúl Castro, dass sie offizielle Verhandlungen für eine Verbesserung der Beziehungen starten. Vorausgegangen waren 18 Monate dauernde geheime Gespräche zwischen beiden Regierungen, die vom Papst und der kanadischen Regierung unterstützt worden waren. Für die Kubaner war damit ein besonderes Geschenk verbunden: nach 16-jähriger unfairer Haft kamen die drei letzten der „Cuban Five“ aus US-Gefängnissen frei; sie hatten Informationen gesammelt, um weitere Terroranschläge gegen Kuba zu verhindern, die in den 1990er Jahren von Florida aus zugenommen hatten. Kuba wiederum ließ über 50 US-Spione und Regimegegner frei, die teilweise von den USA unterhalten worden waren. Inzwischen gab es hochrangige Besuche, verschiedene Staatsoberhäupter der EU waren in Kuba um künftige Optionen zu klären, und das wird in westlichen Medien als „Öffnung Kubas“ bezeichnet – dabei unterhält Kuba zu allen nichtwestlichen Regierungen beste Beziehungen „auf Augenhöhe“.
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SPD Bundesparteitag: Wortreich resignieren

von Stephan Hebel

Als Torsten Albig über den Verzicht der SPD auf einen Kanzlerkandidaten fantasierte, antwortete Hilde Mattheis: Das sei ein „für einen Sozialdemokraten unwürdiges Verhalten“. Diese Kritik war berechtigt – vorausgesetzt, man versteht unter einem Sozialdemokraten jemanden, dem oder der an Alternativen zum Politikmodell der Angela Merkel gelegen ist. Wer diese Perspektive einnimmt – und das tut Hilde Mattheis –, wird es für selbstverständlich halten, die inhaltliche Alternative auch mit einem personellen Angebot zu versehen.
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SPD Bundesparteitag: Plädoyer für einen Politikwechsel 2017 – gegen „Weiter so!“ mit „Starken Ideen“

von Horst Heimann

SPD-Linke bekennt sich zum Wahlprogramm von 2013 und zum Politikwechsel 2017, aber sie muss darüber auch intensiv und offensiv diskutieren.
Alle politischen Stellungnahmen von SPD-Linken und die Beiträge in spw 205 belegen: Die SPD-Linke, mit allen „Unter- und Nebenflügeln“, steht weiter für einen Politikwechsel, mit der Kernforderung nach Steuererhöhungen für Superreiche. mehr

SPD Bundesparteitag: Die Werte, der Sound und eine erfolgsträchtige politische Erzählung – ein Zwischenruf

von Ernst Dieter Rossmann

Seien wir ehrlich: Das Trauma sitzt noch tief. Was Gerhard Schröder und Tony Blair im Juni 1999 unter dem anspruchsvollen Titel „Der Weg nach vorn für Europas Sozialdemokraten“ vorlegten, wurde zum Klassiker für einen Top-Down-Prozess, der innerparteiliche Demokratie nur als Behinderung und nicht als Voraussetzung für nachhaltigen politischen Erfolg begreifen konnte. Insbesondere die SPD, die gerade noch einen historischen Wahlerfolg errungen hatte und endlich den rot-grünen Aufbruch vollziehen wollte, war auf diesen Richtungswechsel von oben in keiner Weise vorbereitet. Damit konnte dieser Vorstoß 1999 nur zum innerparteilichen Debakel werden, das in seiner Tiefenwirkung für die innerparteiliche Diskussion – verstärkt durch die Erfahrungen mit dem Agenda 2010-Prozess – allerdings erst 2009 und 2013 richtig durchschlagen sollte. mehr

SPD Bundesparteitag: Totalschaden

von Karl Kopp

Seit Sommer 2015 gilt die Flüchtlingsfrage als die größte, gar historische Herausforderung für Deutschland und Europa. Noch nie in ihrer Geschichte war die Europäische Union als Gemeinschaft so gefragt. Der hartherzige Umgang mit dem kleinen Griechenland im „Schuldendrama“ und die Unwilligkeit des Clubs der 28 Staaten, Schutzsuchende menschlich, würdig und solidarisch aufzunehmen, haben den Staatenverbund in eine Existenzkrise gestürzt. Das Projekt Europa droht zu scheitern und zwar das in dem Sinne, dass es die Werte, für die es ursprünglich stand, restlos verrät. Es geht ums Ganze oder wie Bernard-Henri Lévy zusammenfasst: „Nicht nur die Flüchtlinge sind in Gefahr, sondern auch ein Europa, dessen humanistisches Erbe vor unseren eigenen Augen zerbröckelt.“
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SPD Bundesparteitag: Starker Staat? Mehr Europa. Mehr Solidarität!

von Sarah Ryglewski

Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch nicht vorbei und die Diskussion um die Währungsunion und den „Grexit“ gar nicht so lange her, da heißt es angesichts des gewaltigen Zustroms von Bürgerkriegsflüchtlingen einmal mehr: Quo vadis Europa? Statt die notwendige Politik auf europäischer Ebene gemeinsam ins Werk zu setzen und enger zusammenzurücken, erleben wir derzeit genau das Gegenteil: eine Renationalisierung.  mehr

SPD Bundesparteitag: Humanität versus Vernunft? Versuch der Annäherung an den Umgang mit dem Flüchtlingsthema

von Frank Schwabe

Die langfristigen Auswirkungen der Flüchtlingsbewegungen auf die Alltagssituation der Bevölkerung Deutschlands und der Europäischen Union kann niemand voraussagen. Auf alle Fälle wird sich dieses Ereignis aber tief in das Gedächtnis einbrennen. Weil es darum geht, ob wir in der Lage sind, auch unter schwierigen Bedingungen Menschen als Menschen zu behandeln oder ob wir angesichts dieser Aufgabe versagen. Gerade für diejenigen, die sich sozialen und demokratischen Zielen verbunden fühlen, besteht eine besondere Verantwortung.
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SPD Bundesparteitag: Sozialdemokratische Kompetenz in der Wirtschaftspolitik

von Joachim Schuster

Der Fall Griechenland hat die Konsequenzen einer neoliberal geprägten Austeritätspolitik in Europa allen vor Augen geführt. Die Bilanz ist katastrophal. Zwei Rettungspakete haben Griechenland an den Rand des realwirtschaftlichen Abgrundes geführt. Die Arbeitslosigkeit hat sich von 2010 bis 2015 mehr als verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt ist gegenüber dem Vorkrisenstand um rund 25 Prozentgesunken. Die Staatsverschuldung ist trotz aller Sparanstrengungen weiter in die Höhe geschnellt.
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Rezension: Gewerkschaftsdämmerung?

von Thilo Scholle

DL 21 Aktuell: Klare Haltung gefragt

von Hilde Mattheis