Ausgabe: spw 211

Wissensarbeit und Hochschulpolitik

Einleitung zum Heftschwerpunkt

Die zunehmende Unsicherheit und Prekarisierung des akademischen Mittelbaus machen diese Ausgabe mehr als notwendig. Ja mehr noch: Im Grunde gibt es keinen akademischen Mittelbau mehr, wie es ihn noch in den 1970er Jahren gab; mit langfristiger Perspektive auch jenseits der Professur bspw. durch die damals neu geschaffenen Stellen der Akademischen Räte. Der akademische Mittelbau war damals, trotz aller damals schon vorhandenen Barrieren, im Aufbruch und eine nicht unerhebliche Fraktion des akademischen Mittelbaus war ein Hort kritischen Denkens geworden, insbesondere möglich geworden durch den Aus- und Aufbau kritischer Fakultäten wie an der Universität Hannover (dazu siehe z.B. Vester 1989).

Artikel

Inhalt Heft 211

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Einleitung zum Schwerpunkt: Wissensarbeit und Hochschulpolitik

von Max Reinhardt, Stefan Stache

Kurzum

von Cordula Drautz

Wandel der Sozialdemokratie? Ein internationaler Blick

von Max Reinhardt

Der Wandel von Parteien ist, wie sich an historischen Beispielen veranschaulichen lässt, immer auch internationalen Entwicklungen und Erfahrungen unterworfen. So haben sich Willy Brandt und Herbert Wehner durch ihre Erfahrungen in skandinavischen Staaten während der nationalsozialistischen Diktatur auch in ihrer späteren Politik am skandinavischen Wohlfahrtsstaatspfad orientiert (zu den unterschiedlichen Pfaden siehe Esping-Andersen). Der Wandel der SPD nach 1945 war also auch eine internationale Neuorientierung vor allem am skandinavischen Wohlfahrtsstaat, aber auch an John F. Kennedy dem neuen Hoffnungsträger aus den USA. mehr

Wird der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen jetzt beendet?

von Kai Burmeister

Das Bundesarbeitsministerium hat den lang erwarteten Referentenentwurf vorgelegt, mit dem Leiharbeit re-reguliert und der Missbrauch von Werkverträgen gesetzlich verhindert werden soll. Auf Seiten der Arbeitgeber ist die Aufregung groß. So spricht der BDA-Präsident Kramer von einem „Großangriff auf hunderttausende Unternehmen“. Damit werde das Auslagern von bestimmten Dienstleistungen an andere Unternehmen wie etwa an IT-Dienstleister, Caterer für Kantinen oder Wachdienste „gefährdet“, so Kramer.  mehr

Debatte: VW – Knallharte Interessenspolitik gegen Umwelt und Gesundheit

von Michael Müller

Die Automobilindustrie geht ins Mark der Industriepolitik, viele Zahlen belegen ihre hohe Bedeutung: Volkswagen, Audi, BMW oder Mercedes sind in unserem Land die Kathedralen der Wirtschaft. Sie machen ihr Geld vor allem mit teuren, PS-starken Premiummodellen. Zwar wurden 2014 „nur“ 2,9 Prozent mehr Neuwagen zugelassen, doch am stärksten wuchsen die Sport Utility Vehicles (SUV) – um satte 20,6 Prozent. Bei diesen Vorstadtpanzern liegt der CO2-Ausstoß im Schnitt 25 Prozent höher als bei PKW mit gleicher Motorleistung. Auch deshalb hinken die deutschen Autobauer beim Klimaschutz weit hinterher. mehr

Debatte: Mehr Mitbestimmung und technische Kompetenz in Compliance-Abteilungen

von Hartmut Meine

Die Manipulationen von Emissionswerten bei einigen Volkswagen-Modellen ist das Werk einer kleinen Gruppe. Einer Gruppe, die Umweltgesetze bewusst ignoriert hat und einige kriminelle Energie aufwendete diese zu umgehen. Dieses massive Fehlverhalten muss aufgeklärt und die Verursacher müssen zur Verantwortung gezogen werden. Ihr Handeln hat dazu geführt, dass die gesamte Belegschaft heute verunsichert ist. Diese Gruppe hat den Ruf eines ganzen Konzerns gefährdet. mehr

Spannungsvolle Verflechtungen: Gender Mainstreaming ist Hochschulreform – Genderforschung ist Wissenschaftsentwicklung

von Heike Kahlert

Im Jahr 1994 überschrieb die niedersächsische Kommission zur Förderung von Frauenforschung und zur Förderung von Frauen in Lehre und Forschung ihren Bericht an das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit dem plakativen Titel „Frauenförderung ist Hochschulreform – Frauenforschung ist Wissenschaftskritik“. Gut 20 Jahre nach Erscheinen dieser hochschul- und wissenschaftspolitischen Schrift steht der damit umrissene Sachverhalt nach wie vor auf der wissenschaftlichen und politischen Agenda, wenn auch mit etwas veränderten Begrifflichkeiten. Geschlechterperspektiven werden nunmehr neudeutsch auch als Genderperspektiven bezeichnet und in verschiedenen Formen virulent: als gleichstellungspolitischer Beitrag zur Hochschulreform in Gestalt von Gender Mainstreaming und als Anstöße zur Wissenschaftsentwicklung in Gestalt der Genderforschung bzw. Gender Studies. mehr

zusammenhänge denken lernen

von Klaus Werner-Teuber

zitroneneis – der vorschein einer besseren welt
in die wiege nichts gelegt bekommen. drittes kind einer arbeiterfamilie: der vater gräbt gräber mit der schaufel, täglich eins und mehr, die mutter spült ab, den ganzen tag. es gab wenige zufluchten – eine davon war die pfarrbücherei mit bunten büchern über die kleinen und die großen welten: kasperl und seppl, dinosauriere, vulkane und länder mit menschen, die sicher nicht in oberbayern geboren waren. dann der einbruch des fremd-schönen in die bayerische einfalt: ein italienisches eiscafe mit zitrone und erdbeere, vanille und straciatella, die kugel für 10 pfennige. das süße und das saure im mund, und musik, die nach süden und freiheit klingt, treiben mich weg vom trachtenverein und ins neue, von dem ich nicht wissen konnte, wie und wo es liegt: seinen geschmack aber hatte ich bereits im mund...
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„Ich empfinde das auch als entwürdigend“ – Zumutungen prekarisierter Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs

von Andrea Lange-Vester

Wer die Wissenschaft als Beruf betreibt, wird häufig mit extremen Bedingungen konfrontiert. Auf der einen Seite mit dem Privileg vergleichsweise selbstbestimmter und selbst organisierter Arbeit, die freier Zeiteinteilung unterliegt und die nicht allein dem Erwerb dient, sondern vor allem Sinn und Identität stiftet. Auf der anderen Seite gibt es im Feld der Hochqualifizierten kaum eine Berufsgruppe, die unter entsprechend prekären Bedingungen tätig ist: „(…) es ist außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten, der keinerlei Vermögen hat, überhaupt den Bedingungen der akademischen Laufbahn sich auszusetzen. Er muss es mindestens eine Anzahl Jahre aushalten können, ohne irgendwie zu wissen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine Stellung, die für den Unterhalt ausreicht.“ Mit diesen Einschätzungen begann Max Weber mehr

Dauerstellen für Daueraufgaben, verlässliche Berufsperspektiven

von Andreas Keller

Plötzlich ging es Schlag auf Schlag. Vor fünf Jahren hat die GEW mit dem Templiner Manifest die Kampagne für den „Traumjob Wissenschaft“ gestartet. 2012 folgte der Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“. Mit dem Köpenicker Appell forderte die GEW 2013 die neue Bundesregierung zum Handeln auf. Und 2015 bewegt sie sich, die Große Koalition in Berlin.
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German Exceptionalism der Wissenschaft: Zwischen Karrieredruck und kritischen Ambitionen

von Maimillian Reff

An gesellschaftlichem Wert wissenschaftlicher Tätigkeiten müssen politische Menschen nicht zweifeln. Jegliche Innovation geht darauf zurück, dass jemand etwas Neues ausprobiert hat, selbst wenn es den Trends zuwider lief. Man nennt das kritisches Forschen und ja, genau das schwebt vielen Menschen vor, die an eine Promotion als Alternative zum direkten Berufseinstieg in anderen Bereichen wie dem der Wirtschaft oder der öffentlichen Verwaltung denken. Dem Idealbild, persönlichem Fachinteresse tagtäglich nachgehen zu können, stehen jedoch einige gewichtige Schwierigkeiten gegenüber, die die Überlegung, als junge*r Wissenschaftler*in in das System einzusteigen, zu einem eher ambivalenten Ergebnis kommen lassen. mehr

Ein neues Hochschulgesetz für Nordrhein-Westfalen

von Andreas Meyer-Lauber

Nordrhein-Westfalen ist eine der führenden Wissenschaftsregionen in Europa, profiliert durch Spitzenleistungen in der Forschung ebenso wie als Studienort für rund 730.000 Studierende. Es gibt 72 Hochschulen in NRW, davon 37 in öffentlicher Hand mit 132.000 Beschäftigten. Damit sind die Hochschulen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden und die Frage, wie die Hochschulen aufgestellt sein sollen, wie sie gesteuert und kontrolliert werden, wird zunehmend wichtiger. Seit dem 1. Oktober 2015 gilt in Nordrhein-Westfalen nun ein neues Hochschulrecht.
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Wissenschaftliche Weiterbildung – Gestaltung mit Perspektive

von Ernst Dieter Rossmann

Die sozialliberale Ära in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte bekanntlich in der konkreten Regierungsarbeit, aber vor allen Dingen auch über die Expertisen des Deutschen Bildungsrates viele bildungspolitische Impulse, die erst mit Zeitverzögerung Wirkungsmacht bekamen. So war es auch mit der wissenschaftlichen Weiterbildung. Zwar verankerte bereits das Hochschulrahmengesetz des Jahres 1976 das weiterbildende Studium neben dem grundständigen Studium, der Lehre und der Forschung als eine der Aufgaben der Universität, aber die intensivere konzeptionelle Aneignung dieses neuen Aufgabengebietes durch die Kultusministerkonferenz sollte erst 25 Jahre später erfolgen, als diese 2001 definierte: Wissenschaftliche Weiterbildung ist die „Fortsetzung und Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer ersten Bildungsphase und in der Regel nach Aufnahme einer Erwerbs- und Familientätigkeit, wobei das wahrgenommene Weiterbildungsangebot dem fachlichen und didaktischen Niveau der Hochschule entspricht“.  mehr

Stichwort Wirtschaftspolitik: Crisis! What Crisis? Migration, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik

von Arne Heise

Die aktuelle Zahl: 1200 Soldaten

von Michael Reschke

Crossover: Lokal, pragmatisch, solidarisch: Eine neue Sprache des Progressiven

von Sebastian Jarzebski, Frank Gadinger, Christopher Smith, Taylan Yildiz

Demokratische Gesellschaften befinden sich in einem ständigen öffentlichen Gespräch. Der kollektive Austausch soll schließlich Veränderungsanliegen gemeinwohlorientiert gestaltbar machen. Dies stellt die politischen Akteure vor das Problem, komplexe politische Zusammenhänge und Krisensituationen gedanklich zuordnen, ihnen einen Sinn zu verleihen und die interpretativen Deutungen in die öffentlichen Diskurse einzuspeisen. Erst dadurch lassen sich politische Entscheidungen vorbereiten, die einen Anspruch auf Legitimität erheben können. Jedoch bleiben auch legitime Entscheidungen stets umstritten, da nicht über jeden Zweifel hinweg darüber befunden werden kann, ob die getroffenen Entscheidungen von den Bürgern für dauerhaft erwünscht gehalten werden. mehr

Geschichte schreiben unter außergewöhnlichen Umständen: die Labour Party von Jeremy Corbyn

von Mike Rowley

Jeremy Corbyn`s Erdrutschsieg bei der Septemberwahl zum Vorsitzenden der Labour Party hat zu einer heftigen Aufregung hier in Großbritannien geführt. Diese Aufregung war nicht nur positiv; ich jedoch werde darlegen, dass Corbyn`s Sieg eine Grundlage für den Wiederaufbau einer sozial-demokratischen Alternative zu dem aktuellen neoliberalen Konsens legt, die es (zumindest in Großbritannien) vor sechs Monaten noch nicht gab: mehr

Moderne Wirtschaft ohne Wachstumszwang – ein Wunschtraum?

von Christoph Deutschmann

Kaum ein Schlagwort taucht in Politikerreden und Talkshows so häufig auf wie „Wachstum“ – gegenwärtig meist mit klagendem oder vorwurfsvollem Unterton. Beklagt wird vor allem, dass das Wirtschaftswachstum in vielen europäischen Ländern (Frankreich, Italien, Irland, Spanien, Griechenland, Portugal) noch immer viel zu gering sei, um die seit der Finanzkrise von 2008 dramatisch gestiegene Arbeitslosigkeit zu überwinden. Und auch in Deutschland wird befürchtet, dass es mit der aktuell guten Entwicklung bald vorbei sein könnte, wenn die Märkte in China und den Schwellenländern einbrechen.  mehr

Rezension: Ein Gedächtnis- und Inspirationsalbum

von Robert von Olberg

Sammelrezension: Biographisches und theoretisches aus der Geschichte der Arbeiterbewegung

von Thilo Scholle

Sammelrezension: Bücher zum aktuellen Stand des Marxismus

von Thilo Scholle

DL 21 Aktuell: Glaubwürdigkeit braucht kritische Positionen

von Hilde Mattheis