Ausgabe: spw 162
"Who cares about care?"
Einleitung zum Heftschwerpunkt
„Wer übernimmt die Sorgeverantwortung?“ entwickelt sich zur Gretchenfrage der postmodernen Gesellschaft. Während im Englischen mit dem Begriff „care“ sowohl die Sorge für Kinder und als auch für Ältere beschrieben wird, unterscheidet die deutsche Sprache zwischen der Kinderbetreuung und der Altenpflege. »Wurde die Sorge, Betreuung, Pflege und Versorgung von Kindern, Alten und Kranken in Deutschland (West) traditionell von den nicht oder nur teilweise erwerbstätigen Müttern, Ehefrauen, Töchtern und Schwiegertöchtern übernommen, befindet sich dieses Modell zunehmend in Auflösung. Die Erwerbstätigkeit von Frauen steigt kontinuierlich und vor allem auch die Erwerbstätigkeit von Müttern kleiner Kinder wird langsam normal, so wie es bereits in der DDR der Fall war.
Auch in Westdeutschland lebt nur noch weniger als ein Viertel der Paare in der klassischen Hausfrauenehe. Das „Ernährermodell“ ist nicht mehr das, was junge Frauen und Männer wollen:
Heute lehnen 84 Prozent der unter 45-Jährigen eine traditionelle Arbeitsteilung ab. Aber nicht nur die Einstellungen haben sich geändert. Der von der Wirtschaft antizipierte Fachkräftemangel hat zusammen mit den gleichstellungspolitischen Erfolgen zu einem deutlichen Ausbau der Kinderbetreuung geführt. Die Furcht vor einer angesichts des demographischen Wandels schrumpfenden Gesellschaft beförderte eben falls diese Expansion. Denn es sollen vor allem hochqualifizierte Frauen besser und stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden und auch mehr Kinder gebären. Darüber hinaus ist ein Paradigmen wechsel im Ansehen vor allem der Kleinkinderbetreuung zu beobachten:Während lange die Betreuung in Einrichtungen als Notlösung für berufstätige Eltern angesehen wurde, stehen heute die Bildungsaspekte, wie das frühe Erlernen von Sozialkompetenz oder der Spracherwerb, im Vordergrund.