Ausgabe: spw 238
Bildung und soziale Ungleichheit
Einleitung zum Heftschwerpunkt
Mit der zeitweisen Schließung von Schulen und Hochschulen und den Defiziten digitaler Infrastruktur und Lernformate sind die Zusammenhänge von Bildungschancen und sozialer Ungleichheit wieder in den Vordergrund politischer Debatten gerückt. Besonders sozial weniger oder nicht privilegierte Schüler*innen werden durch jene Defizite benachteiligt. Bereits vor der Corona-Krise hatte die jüngste PISA-Studie abermals belegt, wie eng in Deutschland der Lernerfolg von der sozialen Herkunft abhängt. In Deutschland erreichten die Schüler*innen aus sozioökonomisch bevorteilten Elternhäusern eine weitaus höhere Punktzahl in der Lesekompetenz als Schüler*innen aus benachteiligten sozialen Lagen.Artikel
Inhalt Heft 238
Hier geht es zum Inhaltsverzeichnis
mehr
Italien und das Corona-Virus – oder: Die Notwendigkeit einer Revolution
Das Coronavirus ist zehn Tage früher nach Italien gekommen als in die anderen europäischen Länder. Hier bei uns musste es sich mit einer bizarren Regierung auseinandersetzen. Sie ist so bizarr, dass ich nicht weiß, wie ich es jemandem, der oder die die Besonderheiten Italiens nicht kennt, erklären kann.
Diese Regierung wird „Conte 2“ genannt, da es schon eine Regierung „Conte 1“ gab, die bis August 2019 im Amt war. Damals kündigte der Ministerpräsident plötzlich im Laufe der parlamentarischen Plenarsitzung in der Sommerzeit die Koalition mit dem entsetzlichen Salvini von der Lega auf.
mehr
Diese Regierung wird „Conte 2“ genannt, da es schon eine Regierung „Conte 1“ gab, die bis August 2019 im Amt war. Damals kündigte der Ministerpräsident plötzlich im Laufe der parlamentarischen Plenarsitzung in der Sommerzeit die Koalition mit dem entsetzlichen Salvini von der Lega auf.
mehr
Das Corona-Konjunkturpaket: nicht perfekt, aber ein Strategiewechsel
Es fühlt sich absurd an, dass ausgerechnet ich diese Worte tippe, aber was soll’s: Das Konjunkturpaket der Bundesregierung schafft mitten in der Corona-Krise tatsächlich die Möglichkeit, Grundlegendes in der deutschen Politik zu verändern. Wenn wir sicherstellen, dass das kein einmaliger Ausrutscher bleibt. Was nach sozialdemokratisch verträumtem Pathos klingt, ist tatsächlich politische Realität.
mehr
In Zeiten wie diesen
In den letzten Wochen haben wir eine Vollbremsung hingelegt. Die COVID-19-Pandemie hat es uns vor Augen geführt: Unsere Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit, unsere Wirtschaft ist zerbrechlich, unser gesellschaftlicher Zusammenhalt ist auf die Probe gestellt. „Abstand halten“ ist das Gebot der Stunde und wird zum Akt der Solidarität.
mehr
Für ein Transformations-Paket – Aufgaben für linke Politik und Gewerkschaften rund ums Auto!
In der Verknüpfung von ökologischer und sozialer Wende sehen BUND und Paritätischer Wohlfahrtsverband wichtige Konsequenzen rund um Corona und plädieren für eine sozial-ökologische Gemeinwirtschaft. Damit ist die richtige Spur gelegt, um soziale Dienstleistungen aufzuwerten und die natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern. Nicht zuletzt geht es um eine verbindende Zukunftsgeschichte, die sich als Gegenmodell zu Austerität und Schuldenbremse versteht.
mehr
Die NATO auf den Prüfstand!
Die Koordinaten der sicherheitspolitischen Diskussion in Deutschland verschieben sich immer schneller. Bis vor kurzem geteilte Grundpositionen geraten ins Rutschen; vieles wird hinterfragt. Das beginnt mit den Zweifeln an der 2014 noch mit Verve und über die großen Volksparteien hinweg vorgetragenen Ankündigung, Deutschland werde größere internationale Verantwortung übernehmen – auch militärisch. Und es endet nicht mit dem Abrücken der SPD-Führung vom bis vor kurzem ebenfalls parteiübergreifend geteilten Bekenntnis zur nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO.
mehr
Interview: Teile des wirtschaftlichen Programms könnten verloren gehen
Keir Starmer bewarb sich mit einem Mitte-Links-Kurs, mit dem er gleichzeitig versprach, Corbyns Agenda nicht abzuwickeln. Es war im Grund Corbynismus plus Professionalismus. So gesehen war es eine Wiederholung des „Putsches“ von 2016, bei dem mit einer ähnlichen politischen Agenda versucht wurde, Corbyn durch Owen Smith zu ersetzen – mit Starmers Unterstützung. Doch dann hatten die Leute das Gefühl, dass Corbyn keine faire Chance erhalten hatte.
mehr
(Berufliche) Pädagogik und Bildung zwischen Arbeitsmarktorientierung und dem Abbau sozialer Ungleichheit?
Der Artikel analysiert beispielhaft unterschiedliche Strömungen am Exempel der (Berufs-)Pädagogik. Es geht dabei vor allem um die Frage nach der Funktion der (Aus-)Bildung. Wie definieren die jeweiligen Strömungsreprä-sentant*innen den ökonomischen bzw. gesellschaftspolitischen Auftrag?
Zunächst wird Bildung in sozialdemokratischen Kreisen eine emanzipative Funktion eines sozialen Aufstiegs zugeschrieben. Dieser bleibt aber bisher gebremst und hat bislang grundsätzlich noch nichts an der Ungleichheit verändert.
Schulpolitische Entscheidungen und Strukturen seit PISA und ihr Einfluss auf soziale Selektivität
Ein nach wie vor trotz aller Strukturveränderungen gegliedertes und früher als in allen anderen vergleichbaren Industriestaaten selektierendes Schulsystem widerspricht den Zielen der Integration und Inklusion. Selektion im Schulsystem ist nie nur leistungsbezogen und sozial neutral, sondern immer auch sozial beeinflusst und geprägt. Fraglich ist dabei nur, in welchem Ausmaß und mit welchen Folgen. Aufgabe einer demokratischen Leistungsgesellschaft müsste es sein, soziale Einflüsse und Prägungen in Bezug auf Bildungskarrieren auszugleichen und möglichst gering zu halten.
mehr
Schulpolitische Entscheidungen und Schulstrukturen und ihr Einfluss auf soziale Selektivität (erweiterte Version)
Ein nach wie vor trotz aller Strukturveränderungen gegliedertes und früher als in allen anderen vergleichbaren Industriestaaten selektierendes Schulsystem widerspricht im Grundsatz den Zielen der Integration und Inklusion. Selektion im Schulsystem ist nie nur leistungsbezogen und sozial neutral, sondern immer auch sozial beeinflusst und geprägt, fraglich ist dabei nur, in welchem Ausmaß und mit welchen Folgen. Aufgabe einer demokratischen Leistungsgesellschaft müsste es sein, soziale Einflüsse und Prägungen in Bezug auf Bildungs-karrieren auszugleichen und möglichst gering zu halten.
mehr
Zwischen Selbstgewissheit und Selbstzweifel – Studierendenmilieus und ungleiche kulturelle Passungen als Aufforderung zu verstärkter Habitussensibilität im Hochschulalltag
Die Nachfrage nach hohen Bildungsabschlüssen hält an. Die Shell Jugendstudie, die seit 1953 etwa alle vier Jahre die Alltagswelten 12-25jähriger Jugendlicher in Deutschland untersucht, ermittelt in ihrer aktuellen Analyse, dass mittlerweile 47 Prozent der Schüler*innen im Alter zwischen 12 und 21 Jahren ein Gymnasium besuchen; insgesamt sind es sogar 68 Prozent, die eine Hochschulreife anstreben – im Jahr 2002 waren es noch 53 Prozent (Shell Deutschland Holding. 2019, S. 166f.) Dabei ist der Erwerb der Hochschulreife inzwischen auch bei denjenigen Jugendlichen das häufigste Ziel, die zu den sogenannten bildungsfernen Gruppen gezählt werden. Ihnen steht „die Tür zum Abitur grundsätzlich offen – jedoch nach wie vor nicht so weit wie für Akademikerkinder“ (ebd., S. 168).
mehr
Soziale Ungleichheit im Studium: Möglichkeiten und Barrieren habitus-struktur-reflexiver Hochschulpraxis
Von welcher Benachteiligung bzw. Diskriminierung sprechen wir hier eigentlich?
In einem auf YouTube veröffentlichten Video-Kommentar zu einer Podiumsdiskussion zum Thema intersektionale (mehrfache bzw. sich überlagernde) Diskriminierung an Hochschulen fragt der Ersteller dieses Videos, offenbar ein Diversity-Beauftragter, wieso ein*e Hochschullehrer*in über Klassismus bzw. Benachteiligung aufgrund von „class“ sprechen solle bzw. könne, da sie* doch – im Gegensatz zu den zu anderen Dimensionen referierenden Personen – nicht betroffen sei (Gender und Diversity 2016). mehr
In einem auf YouTube veröffentlichten Video-Kommentar zu einer Podiumsdiskussion zum Thema intersektionale (mehrfache bzw. sich überlagernde) Diskriminierung an Hochschulen fragt der Ersteller dieses Videos, offenbar ein Diversity-Beauftragter, wieso ein*e Hochschullehrer*in über Klassismus bzw. Benachteiligung aufgrund von „class“ sprechen solle bzw. könne, da sie* doch – im Gegensatz zu den zu anderen Dimensionen referierenden Personen – nicht betroffen sei (Gender und Diversity 2016). mehr
Habitussensible Beratung durch einen verstehenden Zugang ermöglichen
Die Studienberatung hat ein Problem, ihre Zielgruppe zu erreichen und dieses Problem ist nicht neu: So kritisieren etwa Lukas Bischof und Frederic Neuss (2013) das „Holschuld-Prinzip“ der Studienberatung, welches ihrer Auffassung nach dazu führt, dass Studierende, die Beratung bräuchten, die Angebote spät oder gar nicht aufsuchten. Dieser Artikel möchte aus der Perspektive der Habitus- und Milieuforschung die Problembetrachtung erweitern und die Möglichkeiten einer habitussensiblen Beratung aufzeigen. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, wie Berater*innen gezielter und sensibler auf die Studierenden eingehen und dadurch Bildungsungleichheit reduzieren können.
mehr
Habitussensible Beratung im Übergang Schule – Hochschule
Der vorliegende Beitrag thematisiert Habitussensibilität in der Beratungspraxis im Übergang Schule – Hochschule. Zur Betrachtung dieses Übergangs sei angemerkt, dass sich die beobachtbaren Herausforderungen in Studium und Lehre, wie Studienmotivation, Fachverbundenheit und Studienpassung (Lange-Vester; Schmidt 2020: 10) auch als Folge einer habitusblinden Begleitung in der Übergangsphase von der Schule an die Hochschule lesen lassen. Den Habitus in Beratungsprozesse einzubeziehen bedeutet, sich reflexiv mit dem Habitus der am Beratungsprozess Beteiligten auseinanderzusetzen sowie die korrespondierenden Strukturen im Entscheidungsprozess auf habituelle Barrieren hin abzuklopfen (Heimann 2020: 122).
mehr
Anmerkungen zur habitussensiblen Pädagogik
Die kultursoziologischen Analysen zum Habitus sowie zur (Re-)Produktion sozialer Bildungsungleichheit und die daraus gewonnenen Implikationen einer rationalen Pädagogik Bourdieus bilden schon sehr lange eine Referenz für die pädagogische Praxis und Programmatik im deutschen Erziehungs- und Bildungssystem. Im Anschluss an die Untersuchungen einer reflexiven Erziehungswissenschaft und ungleichheitsbezogenen Bildungsforschung sind in den letzten 20 Jahren unter dem Dach einer habitussensiblen und -reflexiven Pädagogik neue Konzepte dazu entwickelt worden. Sie zielen darauf ab, die empirischen Befunde sowohl für den Professionalisierungsprozess des pädagogischen Personals als auch für den Reflexionsprozess der Adressaten (vgl. Heimann in diesem Heft) praktisch zu nutzen.
mehr
Interview: Der digitale Bildungserfolg hängt sehr eng mit der sozialen Lage zusammen
Wir haben weiterhin große Aufholbedarfe in Deutschland. Das konnten wir mit der international vergleichenden IEA-Studie ICILS 2018 (International Computer and Information Literacy Study) sehr gut zeigen. Trotz zahlreicher Maßnahmen im Bereich schulischer Digitalisierungsprozesse zeigte sich mit ICILS 2018 ein ganz ähnliches Bild wie schon mit ICILS 2013 fünf Jahre zuvor. Das sehen wir nun auch in der Pandemie-Zeit, wobei man sagen muss, dass sich nun doch einiges in Bewegung setzt. Das ist auch wichtig, denn mit der ICILS-2018-Studie konnten wir sehr deutlich zeigen, dass unsere Maßnahmen bei den Schüler*innen noch nicht angekommen waren.
mehr
Studieren mit und nach Corona – drei Anmerkungen zu Problemen und Perspektiven
Als die Kultusministerkonferenz (KMK) im Jahr 2016 ihr umfassendes Strategiekonzept zur Bildung in der digitalen Welt veröffentlicht hat, widmete sie von insgesamt 48 Seiten den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen 35 Seiten, den Hochschulen acht und der Weiterbildung fünf. Aus Seitenzahlen lassen sich nun nicht automatisch Relevanzen und Prioritäten ablesen. Aber zu denken gibt es schon. Gewiss ist die Kultusministerkonferenz dann mit Blick auf die Hochschulen in der Folge nach 2016 nicht tatenlos geblieben.
mehr
Jump-Start der europäischen Volkswirtschaften mit Wumms
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa sind jetzt über drei Monate vergangen – und es ist alles viel schlimmer gekommen als anfänglich befürchtet. Wir wissen mittlerweile, dass die europäischen Volkswirtschaften – wenn auch nicht alle in gleichen Maßen betroffen sind – die schwerste ökonomische Krise der Nachkriegsgeschichte durchlaufen. Und dies ereignet sich nur gut ein Jahrzehnt nach der Weltfinanzkrise, die auch für die europäischen Ökonomien schwere Verwerfungen mit sich brachte, die einige EU-Mitgliedsländer noch nicht gänzlich überstanden hatten.
mehr
Digitaler Kapitalismus: Von der Würde der Arbeit in digitaler und klimaneutraler Zukunft
Die Debatte zur Zukunft der Arbeit ist von vielen Studien, Prognosen und Szenarien geprägt, etwa zur künftigen Rationalisierung durch digitale Technologien, zum Wandel der Arbeitsnachfrage durch den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, zu weiteren Produktivitätssteigerungen oder neuen Dienstleistungen. Solche Studien sind hilfreich und wichtig, doch durch ihre Dominanz und ihre unbefragten Prämissen verläuft diese Debatte oft irritierend frei von normativen Standpunkten, frei von der genuin politischen Frage: Wie wollen wir es denn haben, wie sollte es werden, wie wäre es gut? „Beschäftigung“ ist irgendwie wichtig, so viel bleibt immer vorausgesetzt. Wann, unter welchen Umständen und warum
mehr