Ausgabe: spw 229

Digitalisierung, soziale Ungleichheit und Klasse

Einleitung zum Heftschwerpunkt

Trotz guter Konjunkturlage und seit Jahren sinkender Arbeitslosenzahlen wachsen in Teilen der deutschen Gesellschaft soziale Verunsicherung und Zukunftsängste. Im Unterschied zu den Dynamiken der Prekarisierung, die zu jener Verunsicherung beitragen, scheinen die Dynamiken der Digitalisierung weitaus weniger im Alltag greifbar zu sein. Für viele Menschen ist bis heute – trotz der Allgegenwart von Smartphone und Smarthome – unklar, ob und in welcher Weise sich Digitalisierungsdynamiken zukünftig (weiter) auf die eigene Lebensweise und den eigenen Lebensstandard auswirken werden. Ob sie Treiber sozialer Öffnungen oder sozialer Schließungen sein werden. In diesem Heftschwerpunkt richten wir den Blick darauf, ob und mittels welcher ökonomischen und alltagskulturellen Mechanismen Digitalisierung soziale Ungleichheiten reproduziert. In dieser Perspektive stellt sich u.a. die Frage, wie und mit welchen Ressourcen und entlang welcher Konfliktlinien Prozesse der Digitalisierung im Alltag erfahren, be- und verarbeitet werden.

Artikel

Inhalt Heft 229

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Einleitung zum Schwerpunkt: Digitalisierung, soziale Ungleichheit und Klasse

von Anna-Katharina Meßmer, Christina Schildmann, Stefan Stache

Kurzum spw 229

von Felix Welti

Verzweifeln? Oder: Die Aufgaben sozialistischer Politik und Wirtschaft

von Kai Burmeister

Derzeit ist es um die SPD schlecht bestellt. Nicht auszuschließen ist ein weiterer Absturz bis hin zum Verschwinden. Diese Entwicklung kann niemanden egal sein, außer man will mit Häme den Niedergang kommentieren.  mehr

Das Ende der Sozialdemokratie, wie wir sie kannten – bayerische und hessische Lektionen

von Peter Reif-Spirek

Als erste Landtagswahlen nach Bildung der Bundesregierung kam den Wahlgängen in Bayern und Hessen von vornherein bundespolitische Bedeutung zu. Die wochenlangen Querelen, die gemeinsamen Versuche von Seehofer und Söder, die Flüchtlingspolitik nach rechts zu verschieben und die Elitenkungelei um den Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen erzeugten das Bild einer handlungsunfähigen Bundesregierung. Die Wahlergebnisse zeigen in eine eindeutige Richtung: Die an der Bundesregierung beteiligten Parteien mussten dramatische Stimmenverluste im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen. mehr

Menschenrechte vor Profit – die Klage gegen KiK und die Frage nach globaler GeRECHTigkeit

von Frederike Boll

Immer wieder scheinen es plötzliche Katastrophen zu sein, die uns ins Bewusstsein rufen, was wir eigentlich wissen, doch allzu leichtfertig und erfolgreich verdrängen: Die Zustände entlang der Wertschöpfungsketten im Texilsektor sind menschenunwürdig. Sie sind charakterisiert durch viel zu lange Arbeitszeiten bei unzureichender Bezahlung, in Kauf genommene Kinderarbeit und sexualisierte Gewalt, Beschränkungen von Gewerkschaftsrechten und Gewalt gegen Gewerkschafter_innen und nicht zuletzt vernachlässigte Arbeitssicherheit durch mangelhafte Feuer- und Gebäudesicherheit in den Produktionsstätten.  mehr

(Subjektive) Erfahrungen im Berufskontext und das Erstarken rechtspopulistischer Deutungsmuster

von Bettina Kohlrausch

Vor dem Hintergrund des starken Abschneidens der AfD bei der letzten Bundestagswahl stellt sich die Frage, wie es zu erklären ist, dass eine rechtspopulistische Partei einen solchen Zuspruch erfahren konnte. In Abgrenzung zu gängigen Erklärungsmustern, werde ich im Folgenden argumentieren, dass die Wahl dieser rechtspopulistischen Partei auch der Ausdruck von sozialen Unsicherheiten ist, die aus der digitalen Transformation der Arbeitswelt resultieren. mehr

Soziale Abgrenzung auf Facebook – eine ethnographische Feldstudie über die Generation Y

von Milan Glatzer

In letzter Zeit stehen Themen der sozialen Ungleichheit wieder vermehrt im Blickfeld der öffentlichen Debatte. Dies findet Ausdruck sowohl in einem vermehrten Auftreten von Artikeln, die die wachsende Ungleichheit in Deutschland thematisieren, als auch durch Wortmeldungen von Leuten die unter dem Hashtag #unten ihre Erfahrungen von Unterprivilegierung beschreiben. Die Brisanz des Themas wird durch die Popularität von Literatur unterstrichen, die sich mit sozialer Ungleichheit auseinandersetzt. Dazu gehören die Bestseller „Rückkehr nach Reims“ von Eribon, „Die Abstiegsgesellschaft“ von Nachtwey oder das einflussreiche Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Piketty.  mehr

„Digitale Revolution“. Eine Kritik

von Max Reinhardt

Die Digitalisierung ist vor allem eins: Sie ist eine Projektionsfläche für gesellschaftliche und wirtschaftliche Gesellschaftsbilder. Als „digitale Revolution“ werden weitreichende Veränderungen prognostiziert. Der vorliegende Artikel unterzieht die herrschende Vorstellung von einer „digitalen Revolution“ einer Kritik und verdeutlicht, dass Digitalisierungsprozesse feldabhängig und damit den vorherrschenden Feldmechanismen unterworfen sind. Er versteht die Felder als Kräftefelder, in denen verschiedene Fraktionen mit unterschiedlichem Habitus („Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (Bourdieu 1993, S. 100)) um Einfluss, Deutung und Vormacht ringen (zu den Begriffen Feld und Habitus nach Bourdieu vgl. Wacquant 1996). mehr

Arbeit und Kapital in der digitalen Plattformökonomie: Befunde und Ergebnisse aktueller Arbeiten aus ArbeitnehmerInnenperspektive

von Michael Heiling, Sylvia Kuba

In der digitalen „Plattformökonomie“ (euphemistisch auch „Collaborative Economy“) treffen AnbieterInnen und AbnehmerInnen von Leistungen und Gütern auf digitalen Plattformen aufeinander, um dort punktuell Vertragsbeziehungen einzugehen. Dies gilt sowohl für die so genannte „Sharing Economy“, in der vorrangig Güter und physische Ressourcen (durchaus auch gegen Entgelt, weswegen dieser Begriff ebenfalls einen Euphemismus darstellt) gemeinsam oder zeitversetzt genutzt werden, als auch für die „Gig Economy“ in der die zur Verfügung gestellte Ressource meist schlichtweg menschliche (Erwerbs-)Arbeit darstellt.  mehr

Digitalisierung als Geopolitik des Kapitals

von Philipp Staab

Digitale Ungleichheit wird heute im Kern als Frage der Rationalisierung von Arbeit diskutiert. Außen vor bleibt dabei die Rolle spezifischer Kapitalsorten, die für die Dynamik der digitalen Ökonomie allerdings von entscheidender Bedeutung ist. Wenden wir den Blick von der Arbeit hin zum Kapital der Digitalisierung, erscheint diese wie ein Programm der Umverteilung von Einkommen zu Vermögen. mehr

Die Nutzung der KI zum Wohle der Menschen und der Erde

von Christina Colclough

Künstliche Intelligenz (KI) – ein Begriff macht die Runde. Und zwar völlig zu Recht. KI oder maschinelles Lernen, sowie autonome und intelligente Systeme finden ihren Weg in jeden Aspekt unseres Lebens. Die Nachrichten, die wir lesen, die Dienstleistungen, die wir angeboten bekommen, die Preise für Waren und möglicherweise bald die Fragem ob wir Jobs bekommen oder auch verlieren, werden zunehmend durch KI bestimmt. mehr

Stichwort Wirtschaftspolitik: Brüssel und der Haushaltsentwurf Italiens

von Arne Heise

Die aktuelle Zahl: 49 Prozent

von Michael Reschke

Die Linke, die Kosmopoliten und die Kommunitaristen

von Sönke Hollenberg, Christian Krell

Ein neuer Konflikt scheint die Gesellschaften westlicher Industriestaaten zu spalten. Die Differenz zwischen Kosmopoliten und Kommunitaristen. So oder so ähnlich klingen vermehrt die Schlagzeilen der Analysen gesellschaftlicher Unterschiede in den westlichen Demokratien. Mit dieser neuen Konfliktlinie wird sich dabei den Phänomenen der Spaltung der Gesellschaft, dem Wandel des Parteiensystems und dem drohenden Zerfall der liberalen Demokratie genähert.  mehr

Plädoyer für eine linke Zornsammelstelle

von Werner Kindsmüller

Im ARD-Sommerinterview vom 3. Juni 2018 hat die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles angekündigt, man wolle bis zum Herbst entscheidende Forderungen der sozialen Gerechtigkeit umsetzen. So wolle die SPD ein gutes Kita-Gesetz sowie die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung und das Rückkehrrecht aus der Teilzeit zur Vollzeit durchsetzen. Ein weiteres wichtiges Projekt sei die Absicherung des Rentenniveaus zur Vermeidung der Altersarmut. Alles gute Projekte. Sozialdemokraten arbeiten eben fleißig die Punkte ab, die sie im Koalitionsvertrag „durchgeholt“ haben. Und Vieles davon ist in den vergangenen Monaten auch gelungen. Aber  ist das die Politik und die Sprache, die den Zeiten angemessen ist? Glaubt man so etwa, die Aufmerksamkeit der Menschen wiederzuerlangen? mehr

Die falsche Weltformel – das Grundeinkommen als Antwort auf den digitalen Kapitalismus?

von Benjamin Mikfeld

Mit der Auflösung der „industriellen Moderne“ im globalen und digitalen Kapitalismus  sehen einige den Sozialstaat, wie wir ihn kennen auf dem Prüfstand. Eine besondere Attraktivität scheint wieder einmal die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) und seiner verschiedenen Untervarianten zu entfalten. Das Konzept ist alles andere als neu. Sowohl Liberale als auch Linke führen die Diskussion seit vielen Jahrzehnten.  mehr

Soziale Rechte statt Chancen

von Joachim Rock

Die Aussicht auf eine Chance ist nicht für jeden ein Versprechen. Gerade Menschen in prekären Lebenslagen wissen um die enge Verwandtschaft von Chance und Scheitern. Trotzdem scheint die Chance das Versprechen der Stunde zu sein. Das „Teilhabechancengesetz“ wurde jüngst beschlossen, ein „Qualifizierungschancengesetz“ ist auf dem Weg und das „Chancenkonto“ gilt als innovativer Beitrag zur Finanzierung „lebenslangen Lernens“. Die Aussicht auf ein solches „lebenslänglich“ ist jedoch für viele mehr Drohung als Versprechen. mehr

Rezension: Streitbare JuristInnen. Eine andere Tradition

von Folke große Deters

Rezension: Franz L. Neumann – Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus

von Ridvan Ciftci

Rezensionen: Sozialismus und Arbeiterbewegung

von Thilo Scholle

Sammelrezension: Marx – Biographien und Interpretationen

von Thilo Scholle

DL 21 Aktuell: Hartz IV ist und bleibt falsch

von Hilde Mattheis

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