Ausgabe: spw 223
Das Netz als politisches Kampf- und Konfliktfeld
Einleitung zum Heftschwerpunkt
Kürzlich wurde eine Sequenz im Internet viral, deren Unterhaltungswert nicht vom Ernst des Themas ablenken sollte. Vertreter von Facebook, Google und Twitter waren vom US-Senat vorgeladen, um sich zu einer mutmaßlichen russischen Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 über ihre Plattformen zu äußern. Der demokratische Senator Chris Coons fragte den Justiziar von Facebook ungläubig, warum Facebook elf Monate gebraucht habe, sich zu melden und ihnen beim Verstehen des Ausmaßes dieses Problems zu helfen. Warum sei ein Unternehmen, hakte Coons nach, dessen Geschäftsmodell darauf basiere, Daten zu sammeln und auszuwerten, das also die besten Datenanalysten der Welt beschäftige, nicht in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen? Warum seien Wahlspots gegen Hillary Clinton, die in Rubel bezahlt wurden, nicht als mögliche russische Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf identifiziert worden? Das sei nicht so eindeutig, antwortete der Justiziar – die Chefs der Plattformen waren gar nicht erst angereist, um Stellung zu beziehen.Artikel
Inhalt Heft 223
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Sechs Prozent und selbstbestimmte Arbeitszeiten
Die IG Metall befindet sich derzeit mitten in den Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie mit über 100.000 Beschäftigten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Bislang sind zwei Verhandlungsrunden ohne Ergebnis geblieben, so dass ab Januar mit Warnstreiks zu rechnen ist. Die IG Metall ist auf eine harte Auseinandersetzung eingestellt. Bislang war von den Arbeitgebern statt seriöser Verhandlungsbereitschaft nur nervöse Provokation zu vermelden. Mit diesem Verhalten steuert die Arbeitgeberseite geradewegs auf einen gesellschaftlichen Großkonflikt zu.
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Vorwärts immer, rückwärts nimmer
Die SPD will sich erneuern. Nach drei krachenden Wahlniederlagen müssen die Nachkommen August Bebels handeln. Sonst droht den roten Strolchen noch das Schicksal ihrer holländischen oder französischen Schwesterparteien. Martin Schulz will das Wahldesaster schonungslos aufarbeiten. Das ist gut so. Diagnose und Therapie sind jedoch innerparteilich umstritten.
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SPD vor der Wahl: Merkelkurs light oder neue Kraft?
2013 schien alles klar: Zehn Jahre nach der Agenda 2010, einem Jahrzehnt der Niederlagen, war die SPD weißgeblutet: die Hälfte der Mitglieder und Wähler war verloren, die Aktiven ausgebrannt und orientierungslos – da lag es nahe, sich in der Opposition zu regenerieren. Aber mit der Vorgeschichte und dem Personal wäre der Gang in die Opposition Selbstmord gewesen: Wie sollten Agenda-Vater Steinmeier und der unstete Gabriel Grünen und Linken die Oppositionsrolle streitig machen? Für diese ausgelaugte SPD erschien Regierungsbeteiligung „alternativlos“, getreu dem Andreotti-Wort: „Macht verschleißt den, der sie nicht hat.“ Auch der Verfasser plädierte für die ungeliebte „Groko“.
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Niedersachsen: Eine Atempause
„Von Niedersachsen lernen, heißt siegen lernen“, könnte der einfache Schluss aus der Niedersachsenwahl lauten. Doch so einfach lässt sich das Ergebnis für die SPD nicht deuten. Richtig ist, dass die Niedersachsen-SPD Reserven für den Wahlkampf nach der Bundestagswahl mobilisiert hat, über die nur noch wenige Regionen der SPD verfügen. Dass mit Stephan Weil und seinem Team auch ein personelles Angebot mit der Niedersachsen-CDU konkurrierte, das offensichtlich im Saarland, in Schleswig-Holstein und in NRW so nicht vorhanden war oder dort keine sozialdemokratische Alternative zur CDU darstellen konnte.
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Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung als Leitbild sozialdemokratischer Zukunftspolitik
Die Schattenseiten der Globalisierung sind im Bewusstsein der politischen Öffentlichkeit Europas angelangt. Die Aussage, dass eine immer krisenhaftere Entwicklung des globalen Kapitalismus unhaltbare soziale und wirtschaftliche Ungleichgewichte produziert und den Planeten an seine Grenzen bringt, ist längst vom Rand des politischen Diskurses in dessen Mainstream gerückt. Immer offensichtlicher wird zudem, dass SozialdemokratInnen ein erheblicher Mangel an Vertrauen bei der Bewältigung dieser Entwicklungen entgegenschlägt. Denn egal wo derzeit in Europa gewählt wird, sozialdemokratische Parteien stehen am Ende zumeist als die großen Verlierer da.
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Interview: „Nicht ständig auf die Grenzüberschreitungen und Provokationen von rechter Seite reagieren“
spw: Das Web 2.0 galt insbesondere Linken lange als Artikulationsraum für marginalisierte Positionen, also als Hoffnung für eine neue Stufe von demokratischer Aushandlung. Woraus speiste sich diese Annahme?
Kathrin Ganz: Eigentlich hatten Linke immer ein ambivalentes Verhältnis zu neuen Technologien. Das gilt auch für das Web 2.0, also für Web-Anwendungen wie Blogs, Wikis und RSS-Feeds, die Anfang der Nullerjahre aufkamen. Es wurde einfacher, eigene Inhalte ins Internet zu bringen und den User Generated Content vieler Nutzer_innen miteinander zu vernetzen. mehrIm Höhlensystem digitaler Öffentlichkeit
Die Frage der Epistemologie ist die Frage danach, was wir wissen können und wie wir trotz unserer menschlichen Beschränktheit Wissen schöpfen. Sie ist seit Platons Höhlengleichnis aber auch die Frage danach, wie sich Wissen dialogisch vermitteln lässt und wie es um die Belehrbarkeit des Menschen bestellt ist. Der erleuchtete Höhlenbewohner kehrt von der Oberfläche zurück und wird von seinen früheren Leidensgenossen ausgelacht und bemitleidet – versteht er es doch nicht mehr, die Schattenbilder zu lesen, da seine Augen nicht mehr an die Dunkelheit gewöhnt sind. Wer auch immer versuchte, sie zu befreien und nach oben zu führen, den würden sie umbringen.
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Das Mem als Aktivist: Jeremy Corbyns online-Wahlkampf
Großbritanniens politische Kultur lässt sich im Vergleich zu vielen westeuropäischen Ländern eher als konservativ beschreiben. So könnte man auch die Wahlkampflandschaft bezeichnen, die sich nicht gerade durch ihre Innovationsfähigkeit auszeichnet, sondern eher durch eine langsame aber stetige Weiterentwicklung. Dies zeigte sich vor allem seit der Europawahl 2009 und der Parlamentswahl 2010 in Versuchen, Strategien des Obama-Wahlkampfes zu übernehmen und beispielweise sogenannte Grassroot-Bewegungen zu fördern.
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Campact: Die Demokratie-Verstärker
Hunderttausende Menschen auf den Straßen – für ein sperriges Thema wie eine gerechte Handelspolitik. Bei den TTIP- und CETA-Demonstrationen der letzten Jahre standen alle beieinander: Demo-erprobte Männer und Frauen, die bereits 1968 protestierten, ebenso wie Schüler und Studentinnen am Anfang ihrer Protestkarriere. Deutschland erlebte eine der größten Protestwellen seiner Geschichte. Von der oft beschworenen Politikverdrossenheit war nichts zu merken – im Gegenteil: Bei den Aktionen war zu spüren, wie fest Protestkultur in Deutschland verankert ist.
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Was ist Plattformpolitik? Grundzüge einer neuen Form der politischen Macht
Anfang des Jahres, kurz nach der Inauguration Donald Trumps, verbreitete sich das Gerücht, der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg plane seinerseits, 2020 als Präsidentschaftskandidat ins Rennen zu gehen. Nun ist es nachvollziehbar, dass man nach Trumps Sieg alles für möglich halten kann, jedoch beruhte die Spekulation lediglich auf der sogenannten „listening tour“, Zuckerbergs Reise durch die USA, bei der er „Facebook-User“ persönlich treffen wollte. Das Gerücht ist nur Anzeichen des allgemeinen Nichtverstehens unserer Zeit. Denn Zuckerberg ist längst ein Politiker. Er hat enormen Einfluss auf das tägliche Leben von zwei Milliarden Menschen.
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Demokratie braucht das Internet. Internet braucht Demokratie durch Vielfaltssicherung
„Das Internet ist ein Universalmedium“ (Jan-Hinrik Schmidt). Diese Feststellung klingt nach einer Selbstverständlichkeit, ist aber notwendig, um sich der Fragestellung von Vielfalts- und Qualitätssicherung im Netz zu nähern und einige Felder zu kartographieren. Auch unsere zweite Feststellung dient der Einordnung: „Das Internet ist die größte Freiheitsbewegung unserer Zeit“, so steht es im SPD-Grundsatzprogramm und sie zeigt die noch bis vor kurzem groß angelegte Hoffnung, dass mit dem Internet quasi automatisch-technisch die Emanzipationspotenziale des Netzes sich ihren Raum ergreifen werden. Diese Hoffnung ist nicht mehr ungeteilt. Zu klären ist nun unter anderen Bedingungen, wie es uns gelingt, dieses große Versprechen eines Zugewinns von Freiheit einzulösen.
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Essay: Disruptiert doch bitte den Kapitalismus
Die Zukunft hat Konjunktur. Überlegungen dazu, wie die Digitalisierung unser aller Leben und Arbeiten gestalten wird, ergießen sich über uns wie die Milliarden venture capitals, die das Silicon Valley in Start-ups investiert. Zu diesen Zukunftsvisionen gesellen sich alte und neue Fragen über unsere Wirtschaftsordnung. Blicken wir daher zuerst auf die These des endenden Kapitalismus. Sodann sehen wir uns den Turbokapitalismus an, der durch die Digitalisierung befeuert zu werden scheint. Wie können wir bei allem, was uns erwartet, die Helden der storyline werden?
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Ja zu mehr Gleichheit, nein zu Steuern? Das wohlfahrtsstaatliche Finanzierungsdilemma und Ansätze zu seiner Überwindung
In Bevölkerungsumfragen kommen die Deutschen regelmäßig mit überwältigender Mehrheit zu dem Schluss, dass die Ungleichheit in Deutschland mittlerweile zu groß geworden ist (Mau/Heuer 2016: 4 ff.). Daraus leitet sich häufig die Erwartung ab, dass der Staat die Unterschiede zwischen Arm und Reich abbauen soll. Vielen ist dabei nicht bewusst, wie erfolgreich der deutsche Wohlfahrtsstaat diese Aufgabe bewältigt.
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Zeit für mehr Klarheit
Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) hat bei der Nationalratswahl am 15. Oktober ihren Stimmanteil gehalten, aber das Duell gegen ÖVP und FPÖ verloren. Ludwig Dvořák analysiert, warum das (noch) kein Grund zur Panik ist und wo nach diesem Urnengang Risiken und Chancen für die Sozialdemokratie liegen.
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Kongressbericht: Digitaler Kapitalismus – Revolution oder Hype?
Es passiert nicht allzu oft, dass ein Kongress zu den politischen und ökonomischen Implikationen des technologischen Wandels eine solche Resonanz findet. Rund 1000 Gäste kamen auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu einem Kongress nach Berlin, der sich mit den Potenzialen und Herausforderungen des digitalen Kapitalismus auseinandersetzte. Neben der FES hatten auch die drei sozialdemokratischen Zeitschriften spw, Berliner Republik und Neue Gesellschaft sowie die Blätter für deutsche und internationale Politik und das Institut für Geschichte der Zukunft der Arbeit den Kongress vorbereitet.
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Die Verzwergung der (Sozial)Demokratie aufhalten! Was die SPD von Österreich lernen muss
Felix Austria nube, oder: Warum heiraten in Österreich so schwer ist!
Seit 1979 gibt es keine linke Mehrheit mehr in Österreich. Der damalige Bundeskanzler hieß Bruno Kreisky und konnte noch mit einer absoluten Mehrheit links der Mitte regieren. Seither gibt es in Österreich mit wenigen Ausnahmen große Koalitionen. Diese großen Koalitionen sind dabei einerseits Mehrheitsbeschafferinnen eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers gewesen, andererseits wurden sie immer unbeliebter. Oftmals werden sie als Blockade der Demokratie in Österreich empfunden (Linsinger, 2012). Diese Blockade bestimmte dabei zunehmend die gegenwärtigen Themen im Wahlkampf und die beiden Großkoalitionärinnen Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) und Österreichische Volkspartei (ÖVP) regieren nicht mehr nur schlecht als recht zusammen, sondern sie versuchen vielmehr ihre eigenen Claims zu bedienen und das historisch gewachsene Proporzsystem aufrechtzuerhalten. mehr
Seit 1979 gibt es keine linke Mehrheit mehr in Österreich. Der damalige Bundeskanzler hieß Bruno Kreisky und konnte noch mit einer absoluten Mehrheit links der Mitte regieren. Seither gibt es in Österreich mit wenigen Ausnahmen große Koalitionen. Diese großen Koalitionen sind dabei einerseits Mehrheitsbeschafferinnen eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers gewesen, andererseits wurden sie immer unbeliebter. Oftmals werden sie als Blockade der Demokratie in Österreich empfunden (Linsinger, 2012). Diese Blockade bestimmte dabei zunehmend die gegenwärtigen Themen im Wahlkampf und die beiden Großkoalitionärinnen Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) und Österreichische Volkspartei (ÖVP) regieren nicht mehr nur schlecht als recht zusammen, sondern sie versuchen vielmehr ihre eigenen Claims zu bedienen und das historisch gewachsene Proporzsystem aufrechtzuerhalten. mehr