Ausgabe: spw 220

Aktuelle Kapitalismusanalysen – neuer Kapitalismus im Zeitalter der Digitalisierung?!

Einleitung zum Heftschwerpunkt

Im Anschluss an die große Krise 2008/2009 gab es eine Renaissance kapitalismuskritischer Debatten über die engere politische Linke hinaus. Diese Debatte ist aber bald wieder weitgehend aus der breiteren Öffentlichkeit verschwunden. Zumindest in Deutschland ist sie mit der raschen wirtschaftlichen Erholung und den aktuell günstigen Wirtschaftsdaten wieder leiser geworden. Nichtsdestotrotz wurde im Zuge der Krise 2008/2009 deutlich, dass das reibungslose Funktionieren des neoliberal-finanzmarktdominierten Kapitalismusmodells der Jahrtausendwende an seine Grenzen gestoßen ist. Die danach einsetzende Entwicklung hat vor allem eine extrem große Unterschiedlichkeit der wirtschaftlichen und sozialen Dynamik in unterschiedlichen Ländern Europas und den übrigen industrialisierten Ländern sowie den Schwellenländern hervorgebracht. Parallel hat sich mit der Digitalisierung und der Ausbreitung des Internets seit der Jahrtausendwende eine technologische Entwicklung vollzogen, die viele von einer vierten industriellen Revolution in den Industrieländern sprechen lässt (Industrie bzw. Wirtschaft 4.0).

Artikel

Inhalt Heft 220

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Einleitung zum Schwerpunkt: Aktuelle Kapitalismusanalysen – neuer Kapitalismus im Zeitalter der Digitalisierung?!

von Kai Burmeister, Ole Erdmann, Katharina Oerder, Thilo Scholle

Kurzum

von Uwe Kremer

Wie Corbyn das Unmögliche möglich machte

von Mohammed Afridi

Innerhalb von nur acht Wochen hat die britische Labour-Partei unter Jeremy Corbyn eines der spektakulärsten Comebacks in der Geschichte der britischen Politik hingelegt. Dies sollte der neuen Linken in ganz Europa als Zeichen der Hoffnung dienen. In Folge des Schock-Ergebnisses des ‚Brexit‘-Referendums im letzten Jahr, als 52 Prozent des Landes dafür stimmten, die EU zu verlassen, stürzte die britische Politik ins Chaos. Auf Seiten der politischen Rechten wurde Premierminister David Cameron – der das Referendum aus taktischen Beweggründen ausgerufen hatte, um die UKIP und den rechten Flügel seiner eigenen Partei in Schach zu halten – gedemütigt und sah für sich keine andere Option als zurückzutreten.  mehr

Die Chance nutzen

von Timo Grunden, Sascha Vogt

Das Wahlergebnis vom 14. Mai ist eine bittere und in Teilen unnötige Wahlniederlage für die NRW-SPD. Der schlechte zweite Platz, der Verlust der Staatskanzlei und der Gang in die Opposition sind die unmittelbaren Folgen einer Kampagne, die offensichtlich an der Stimmung im Land vorbeiging. Doch das allein erklärt die Verluste nicht in Gänze. Es gibt auch strukturelle Gründe für das schlechteste Wahlergebnis seit 1947. Die NRW-SPD macht sich nun auf den Weg der Erneuerung.
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Nach dem Referendum: Innen- und außenpolitische Perspektiven der Türkei

von Gülistan Gürbey

Am 16. April 2017 fand in der Türkei das Referendum für die Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems statt. Nur eine knappe Mehrheit von 51,4 Prozent stimmte dafür, obwohl die regierende AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) gemeinsam mit dem nationalistischen Bündnispartner MHP (Nationalistische Aktionspartei) die gesamte Kampagne bestimmte, wohingegen die Gegner der Verfassungsänderung nicht die gleichen Chancen hatten. Die Verfassungsänderung wurde von einem breiten Spektrum u.a. der CHP, der HDP/DBP, linken Gruppen und Berufsvereinigungen abgelehnt. mehr

Demokratie oder Bonapartismus: Die Ermüdung der Demokratie in Frankreich und der Tod der Parti Socialiste

von Mathieu Pouydesseau

Am 18. Juni hat die Demokratie in Frankreich einen Tiefpunkt erreicht. Niemals zuvor war die Wahlbeteiligung bei einer Wahl zur Nationalversammlung mit nur 43 Prozent so niedrig, niemals konnte eine einzige Partei so viele Sitze erringen. Emmanuel Macron und seine Bewegung „En Marche“ erlangten 32 Prozent abgegebenen Stimmen und damit 355 der 577 Mandate. mehr

Europäische Politik statt deutsche Dominanz

von Joachim Schuster

In der französischen Präsidentschaftswahl in Frankreich setzte sich der europafreundliche Liberale Macron klarer als vielfach erwartet gegen die rechte Nationalistin Le Pen durch. Damit konnte zunächst eine schwere Krise für die Europäische Union abgewendet werden. Denn nach dem beschlossenen Brexit hätte die Union einen Frexit nicht überlebt. Genau das ist aber das Ziel von Le Pen. Macron gibt sich fest entschlossen, Frankreich aus der Krise zu führen und umfassende innenpolitische Reformen durchzusetzen. mehr

Die Autokraten, der autoritäre Charakter und der Kampf um Liberalität, Weltoffenheit und Humanität

von Ernst Dieter Rossmann, Behrang Samsami

Die großen Autokraten dieser Welt wie ihre geistesverwandten Möchtegern-Adepten in Europa haben eines gemeinsam: Eine krasse Vereinfachung der komplexer werdenden Welt. Gegen die Globalisierung  setzen sie Nationalismus und  Abschottung ihres Landes. Statt humaner konstruktiver Lösungen für den Umgang mit Migration und die Förderung von Integration, kehren sie den Wert von Heimat und Region gegen Ausländer, andere Religionen und das Fremde an sich. Statt neue zukunftsfähige Wege einzuschlagen, richten sie die  Hoffnung vieler Menschen auf eine Restauration der Vergangenheit im sozialen und gesellschaftlichen Leben, in Kultur, Ökonomie und Politik. Und zwar im Zeichen von Distinktion, Diskriminierung und Rassismus. mehr

Debatten über Kapitalismus und gesellschaftliche Transformation – aktuelle Schlaglichter

von Benjamin Mikfeld, Thilo Scholle

Wir erleben Zeiten dynamischer Veränderungen und großer Unsicherheiten, die durch den Verlust politischer Gewissheiten begleitet werden. Daher verwundert es nicht, dass auch die politischen Interpretationen, Lösungskonzepte und Diskurse vielfältiger werden. Durch die digital vermittelte Kommunikation wird dies noch verstärkt: In jeweils eigenen Filterblasen und Echokammern werden Bastelideologien geschaffen, Milieus und Lebenswelten driften auseinander. Auf der einen Seite haben wir es mit der „großen Regression“ zu tun, einem gesellschaftlichen Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität im nationalistischen Rückwärtsgang. Auf der anderen Seite wird die Krise „des Kapitalismus“ oder auch des „kapitalistischen Staates“ in einer Vielzahl von disparaten Analysen und Diskursen auf unterschiedliche Weise thematisiert. mehr

Digitaler Kapitalismus – Dynamiken, Potenziale, Monopole

von Arno Brandt

Nach der „Großen Krise“ von 2007/2008 hat es eine Reihe von theoretischen Anläufen gegeben, um der Frage nachzugehen, was nach dem Scheitern der neoliberalen Ära folgt. Gerade für die Reformagenda der demokratischen Linken ist es von zentraler Bedeutung zu verstehen, wie sich der Kapitalismus neu erfindet und wie er sich gleichsam wieder neuen immanenten Grenzen nähert. Ob dieser Prozess zu neuen, möglicherweise noch heftigeren Krisen führt oder Wegscheiden zu alternativen Pfaden der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung eröffnet, ist offen und hängt maßgeblich vom gesellschaftlichen Kräfteparallelogramm im nationalen, europäischen und internationalen Maßstab ab.Bemerkenswert ist immerhin, dass in vielen Ländern die Kapitalismuskritik wieder auf die Agenda rückt und neue politische Bewegungen entstehen, die sich kritisch mit dem real-existierenden Kapitalismus auseinandersetzen. mehr

Souveränität im digitalen Kapitalismus

von Philipp Staab

Souveränität und Sicherheit sind Begriffe, die traditionell von der politischen Linken mit Inhalt gefüllt wurden. Heute bilden sie dagegen die großen Themen des Rechtspopulismus. In diesem Kontext wird mit ihnen ein „heimatloser Antikapitalismus“ adressiert, der einen vermeintlichen oder realen Verlust sozialer Einbettung, institutioneller Sicherung und individueller Gestaltungsfähigkeit korrupten politischen Eliten, bürokratischen Plünderungszirkeln und nomadischen Flüchtlingspopulationen zuschreibt. Dabei verfehlt dieser identitäts- und wohlfahrtschauvinistisch aufgeladene Antikapitalismus gerade die eigentlichen Souveränitätsgefährdungen, die den Kapitalismus der Gegenwart prägen.  mehr

Shareholder-Kapitalismus wird uns noch länger begleiten

von Mechthild Schrooten

Der Finanzsektor und die Renditeerwartungen der Unternehmen haben nahezu alle Lebensbereiche durchdrungen. Das ist das Zeitalter des Shareholder-Kapitalismus, das etwa in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts einsetzte. Wirtschaft dient nicht mehr dem Menschen, Wirtschaft dient der Erfüllung von Renditeerwartungen. Die Renditeerwartungen von Unternehmen werden über den Finanzmarkt kommuniziert. Der Finanzmarkt dominiert die Güter- und Arbeitsmärkte. mehr

Postwachstum versus Entwicklung – Ist eine ökologische Kapitalverwertungswirtschaft denkbar?

von Rainer Land

Innerhalb der nächsten zwei bis drei Menschengenerationen wird sich entscheiden, ob es gelingt, die globalen Umweltprobleme zu überwinden. Im Fokus steht der Klimawandel. Auch wenn die Details umstritten sind: Die große Mehrheit wissenschaftlich fundierter Analysen fordert, eine Trendwende zu global sinkenden CO2-Emissionen müsse innerhalb der nächsten dreißig Jahren gelingen, eine vollständige Dekarbonisierung binnen fünfzig Jahren. Steigt die globale Durchschnittstemperatur um mehr als zwei oder gar um vier Grad, sei mit deutlich steigendem Meeresspiegel, dem Verlust bedeutender fruchtbarer Gebiete, dem Zusammenbruch der Biomasseströme in den Ozeanen, wachsenden Wüsten, dem Niedergang der Agrarsysteme, Hungersnöten, Flüchtlingsströmen, Klimakriegen und letztlich dem Zusammenbruch der heutigen Wirtschaftssysteme zu rechnen. mehr

Stichwort Wirtschaftspolitik: Das Reflektionspapier der EU-Kommission zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion

von Arne Heise

Die aktuelle Zahl: 4 Eckpunkte

von Michael Reschke

Circular Economy und Zirkuläre Wertschöpfung – Für eine moderne Industrie im 21. Jahrhundert

von Reinhold Rünker

In der internationalen Diskussion gibt es ein neues Buzz-Word. Spätestens seit der Ellen-McArthur-Stiftung/McKinsey-Studie „Growth within: A Circular Economy Vision for a competitive Europe“ steht „Circular Economy“ auf den Tagesordnungen internationaler Konferenzen.Die Bedrohung der Weltmeere durch Plastik ist globales Sinnbild dafür, dass ungehemmte Nutzung natürlicher Ressourcen die natürlichen Lebensgrundlagen unseres Planeten bedrohen. Die Ankündigung des US-Präsidenten, die internationalen Klima-Vereinbarungen von Paris zu kündigen, um die heimische Industrie vor Umweltauflagen zu schützen, mutet an wie ein irrer Versuch, die Uhr in das 19. Jahrhundert zurückzudrehen. Gleichzeitig wird so das Bild verfestigt, dass sich Industrie und ökologische Anforderungen an die Erhaltung unseres Planeten in einem unversöhnlichen Konflikt gegenüberstehen. mehr

Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung

von Jörg Deml

Dass die jeweiligen Armuts- und Reichtumsberichte (ARB) der Bundesregierung in einem Spektrum von ‚Beschönigung‘ bis ‚Dramatisierung‘ charakterisiert werden, ist für politisch interessierte Menschen erwartbar. Gleichwohl gilt es daran zu erinnern, dass diese Reibung ein Wert an sich ist: Bis 1998 sah die Bundesregierung keine Notwendigkeit, sich des Themas überhaupt anzunehmen. Wer vor dem Hintergrund der notwendigen Abstimmung in der Bundesregierung, in der unterschiedliche Auffassungen zum Tragen kommen, die Schlussfolgerung zieht, die Erstellung durch eine unabhängige Kommission wäre sinnvoller, negiert geradezu die emanzipatorische und politisierende Wirkung des Diskurses um die Interpretation des ARB. mehr

Rezensionen: Jenny Marx / Heinrich Heine

von Thilo Scholle

Rezension: Transformation – Suchprozesse in Zeiten des Umbruchs

von Thilo Scholle

DL 21 Aktuell: Mut zu Rot-Rot-Grün

von Hilde Mattheis