Ausgabe: spw 218
Linke Strategien für Europa
Einleitung zum Heftschwerpunkt
Es könnte alles so schön sein. Wenn sich im März 2017 die Unterzeichnung der Römischen Verträge zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) durch die sechs Gründerstaaten zum 60sten Mal jährt, hätte man zurückblicken können auf einen erfolgreichen Integrationsverlauf. Ein Prozess mit Höhen und Tiefen zwar, aber in der Summe die 1957 gesteckten und viele weitere Ziele der „ever closer union“ unter der positiven Anteilnahme der Bürgerinnen und Bürger erreichend. Stattdessen werden die Europäischen Institutionen ebenso wie die Staats- und Regierungschefs zu den geplanten Feierlichkeiten die historische Rückschau zur Warnung vor Zerfall, Separation und Sezession in der heutigen EU nutzen.Artikel
Inhalt Heft 218
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Trumps Amerika und das große Unbehagen
Während die politische Krise, die sich derzeit in den Vereinigten Staaten entwickelt, von außen schwer verständlich zu sein scheint, sollten ihre Schlüsselelemente für EuropäerInnen doch sehr vertraut sein. Die größte Mitte-Links-Partei hat über Jahrzehnte kontinuierlich an Wählerstimmen verloren und den Rückhalt in den traditionellen Hochburgen der Arbeiterschaft eingebüßt. Populisten, die ein Eifern gegen das Establishment mit fremdenfeindlichem Nationalismus vermischen, gewinnen an Zuspruch. Der Konsens der Eliten bezüglich einer globalisierten Wirtschaft, die nach den Interessen der Finanzindustrie organisiert ist, wurde im Kern erschüttert – genau wie die kulturelle Toleranz, die kosmopolitischen Moralvorstellungen und der Respekt für internationale Institutionen, die diese globalisierte Wirtschaft erst ermöglichten.
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Vorwahlen bei der Parti socialiste
Mit Benoit Hamon haben die Vorwahlen bei den französischen Sozialisten einen durchaus unerwarteten Sieger gefunden. Der 49-jährige frühere Vorsitzende der französischen Jungsozialisten (MJS) und ehemalige Bildungsminister setzte sich im 2. Wahlgang mit ca. 58 Prozent zu 42 Prozent gegen den früheren Premierminister Manuel Valls durch. An der offenen Abstimmung der „Belle alliance populaire“ beteiligten sich etwa 2 Millionen Wählerinnen und Wähler. Neben Valls und Hamon traten im ersten Wahlgang sechs weitere KandidatInnen an, von denen aber nur der ehemalige Industrieminister Arnaud Montebourg mit etwa 17 Prozent ein ernstzunehmendes, aber für ihn selbst sehr enttäuschendes Ergebnis erzielte. Montebourg rief noch am Abend seiner Niederlage im 1. Wahlgang zur Wahl von Hamon auf.
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Italien: Das Ende des Renzismus
40,8 Prozent– es war dieses Resultat, das im Mai 2014 ganz Europa, vorneweg die Parteien links der Mitte aufmerken ließ. Quer durch den Kontinent waren die meisten Regierungsparteien bei den EP-Wahlen mehr oder minder stark abgestraft worden, quer durch Europa mussten sich die sozialdemokratischen Kräfte mit bescheidenen Resultaten zufriedengeben, während der Populismus boomte. Mit einer Ausnahme: Italien. Dort triumphierte die Partito Democratico (PD) unter Ministerpräsident Matteo Renzi mit 40,8 Prozent, obwohl die PD ein krisengebeuteltes Land regierte. Allen aber war klar, dass dieses sensationelle Ergebnis weniger der Partei als ihrem Frontmann geschuldet, dass ein Hoffnungsträger geboren war.
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Populismus in der Sicherheitsdebatte
Das vergangene Jahr markiert eine Wende: 2016 wurden in Deutschland gleich mehrere Terroranschläge verübt, bei denen sich die Täter/innen auf islamistische Motive beriefen. Der Anschlag am 19. Dezember auf dem Berliner Breitscheidplatz kostete zwölf Menschen das Leben, zahlreiche Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Ohne Zweifel: Der islamistische Terror ist in Deutschland angekommen. Dass Sicherheitspolitiker auf diese Situation reagieren, ja reagieren müssen, ist unbestreitbar. Wie sie reagieren, ist dann doch befremdlich.
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Der Weg in die Bürgerversicherung – pragmatisch und praxistauglich
Seit 2004 verfolgt die SPD das Ziel, eine Bürgerversicherung einzuführen. 2005 haben wir als SPD erstmals im Wahlkampf diesen umfassenden Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung gefordert. Mit unserer Grundsatzentscheidung zur Bürgerversicherung für die Kranken- und Pflegeversicherung haben wir uns deutlich von dem Beschluss der CDU zur Kopfpauschale abgehoben. Und wir haben dafür sehr viel Zuspruch bekommen. Nicht nur andere Parteien, auch Gewerkschaften, Wohlfahrtsträger und Sozialverbände wollen die Bürgerversicherung. Unsere Forderungen nach solidarischer Finanzierung und gerechter Kostenteilung im Gesundheitswesen haben überzeugt. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung will eine Bürgerversicherung. Sie ist Garantie für die Teilhabe aller am medizinischen Fortschritt.
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Das zweite Scheitern – wie Karlsruhe die NPD nicht verbietet und doch die Demokratie stärkt
Zum zweiten Mal ist ein Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gescheitert. Das erste Verfahren 2003 ließ der Verfassungsschutz durch sein Spitzelwesen, also die Durchdringung von NPD-Strukturen mit V-Leuten, scheitern. Nach der Selbstenttarnung des rechtsterroristischen NSU unternahm der Bundesrat einen zweiten Versuch und reichte im Dezember 2013 eine erneute Klageschrift mit dem Ziel ein, die NPD verbieten zu lassen. Dafür mussten die Bundesländer sicherstellen, dass die V-Leute in den NPD-Führungsstrukturen „abgeschaltet“ wurden. Bundestag und Bundesregierung hatten sich hingegen – durch das erste Scheitern klug geworden – an dem zweiten Verbotsversuch nicht mehr beteiligt. Die nunmehrige Ablehnung eines NPD-Verbots ist daher eine klare politische Niederlage der Bundesländer.
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Warum Europa?
Bis vor drei, vier Jahren gab es prinzipielle Gegner der Europäischen Union nur auf der politischen Rechten. Der französische Front National gehörte prominent zu den Ablehnern und wurde zunehmend stärker, aber eigentlich glaubte wohl niemand aus dem Spektrum der demokratischen Parteien, dass er einmal durchschlagenden Erfolg haben und die EU auseinanderbringen könnte. Heute sorgen sich alle politischen Beobachter eben davor. Wie ist es dazu gekommen?
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Europa stärken – Ungleichheiten bekämpfen
Der Brexit und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten markieren eine Zeitenwende. Die USA, China und Russland definieren ihre Interessen neu und stellen damit Europa vor neue Herausforderungen. Institutionen und Regeln, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, stehen unter Anpassungsdruck. Die Europäische Union als wichtigste Institution des Kontinents ist dabei Antwort und Problem zugleich.
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Mission impossible – Stabilisierung und Demokratisierung des EU-Imperiums?
Derzeit spricht wenig dafür, die Europäische Union als eine treibende Kraft der Demokratisierung zu betrachten. In den Außenbeziehungen sind Fragen von Demokratie und Good Governance zumeist nur von sekundärer Bedeutung; nicht selten führen die von der EU angestoßenen Liberalisierungsprozesse sogar zu einer gesellschaftlichen Destabilisierung, die autoritäre Gegenreaktionen begünstigt. Und im Inneren sind im Zuge der konstitutionellen Fortentwicklung der EU die nationalen geld-, wirtschafts- und sozialpolitischen Handlungsspielräume vielfach beschnitten worden, ohne dass die erweiterten supranationalen Kompetenzen mit einer hinreichenden Demokratisierung der politischen Entscheidungsverfahren einhergingen.
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Wohlstand als Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschafts- und Währungsunion
2016 ist es nach fünf Jahren im fast dauerhaften Krisenmodus wirtschaftspolitisch ruhig geworden um die Eurozone. Den wesentlichsten Beitrag für ihre Stabilisierung lieferte ausgerechnet jene Institution, die sich gemäß ihrer Grundkonfiguration eigentlich aus der Wirtschaftspolitik weitgehend heraushalten müsste, die Europäische Zentralbank (EZB). Das sagt bereits einiges über offene Baustellen für die europäische wirtschaftspolitische Steuerungsarchitektur, auch Economic Governance genannt, aus. Diese soll nun weiter reformiert werden: Für März hat die EU-Kommission ein Weißbuch zur Weiterentwicklung der Eurozone zu einer „echten“ Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) angekündigt, das eine Konkretisierung des Berichts der fünf europäischen Präsidenten von Kommission, EZB, Europäischem Rat, Eurogruppe und Parlament (Juncker et al. 2015) darstellt.
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Eine europäische Agenda gegen Rechtspopulismus
Die Schattenseiten der Globalisierung sind in aller Munde. Für etliche Branchen und Regionen waren die Folgen der internationalen Wirtschaftsordnung im Saldo eher negativ als positiv. Viele Menschen haben Teilhabechancen schwinden sehen und fühlen sich auf der Verliererseite. Die demokratische Linke hat diese Entwicklungen zu lange als temporäre Kollateralschäden interpretiert, sie hat die wirtschaftliche Globalisierung politisch zu wenig gestaltet. In dieses Vakuum stoßen nun die Rechtspopulisten mit ihrer nationalistischen Interpretation von politischer Regulierung vor. Dem muss die demokratische Linke zuvorkommen. Man habe, so Kanzlerkandidat Martin Schulz, im 20. Jahrhundert den Kapitalismus auf nationaler Ebene schon einmal gebändigt.
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Gender – der blinde Fleck in der Digitalisierungsdebatte
Die Roboter kommen. Ist Ihr Beruf besonders gefährdet?“, so lautet der Titel eines Beitrages auf der Website der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Es geht um Automatisierung; ein Bild zeigt Roboterarme, die Autos montieren. Roboter und Autos, Männer und Maschinen, das sind die Bilder, die seit 40 Jahren die Automatisierungs- und Digitalisierungsdebatte illustrieren. Bilder, die signalisieren: Es sind Männerjobs, die hier verloren gehen. Die Pointe ist: Der mit der automatisierten Autofabrik bebilderte Beitrag bezieht sich auf eine Rangliste der „Top-Ten der gefährdeten Berufe“, erstellt von der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Ganz oben auf Platz eins der Gefährdungs-Rangliste: Büro- und Sekretariatskräfte, auf Platz zwei: Berufe im Verkauf, auf Platz drei: Berufe in der Gastronomie. Es handelt sich also um Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten.
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Social Business – Eine neue Form des investiven Sozialstaats?
Als Muhammad Yunus 2006 für sein Social Business, die Grameen-Bank, den Friedensnobelpreis erhielt, rückten die Begriffe Social Business und Social Entrepreneurship in den Fokus der Betrachtung. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland ca. 70.000 Unternehmen, die im weiteren Sinne als Social Business bezeichnet werden können (vgl. Scheuerle et al. 2013). Die Definition der Social Entrepreneure lieferte der Gründer des Netzwerk Ashoka, Bill Drayton.
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