Ausgabe: spw 201

Wandel der Arbeitsbeziehungen – Renaissance des Korporatismus?

Einleitung zum Heftschwerpunkt

Der rationale Interessensausgleich zwischen Arbeit und Kapital ist hierzulande wieder schwer in Mode. Der deutsche Michel steht darauf, wenn Gewerkschaften, Arbeitgeber und Politik zum Wohle aller handeln. Die Erfahrungen mit der politischen Steuerung der schweren Finanzmarktkrise 2008 haben den öffentlichen Diskurs gedreht.
Vor der Krise galt der deutsche Korporatismus noch als ein Relikt der Vergangenheit. Seine Akteure – Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Nationalstaat – wurden wahlweise als Blockierer, Dinosaurier oder Monstren verunglimpft. Seine Institutionen – Kollektivverträge, Mitbestimmung, Betriebsräte – galten auch aus Sicht der Arbeitgeberverbände als überholt. So wünschte sich der damalige BDI-Chef Rogowski Flächentarifverträge und Betriebsverfassungsgesetz „in ein großes Lagerfeuer zu werfen“ (Der Spiegel, 44/2003).

Artikel

Inhalt Heft 201

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Einleitung zum Schwerpunkt: Wandel der Arbeitsbeziehungen – Renaissance des Korporatismus?

von Kai Burmeister, Dierk Hirschel, Michael Reschke, Sarah Ryglewski

Kurzum

von Felix Welti

Reparaturwerkstatt der Agenda 2010: Die Aufgabe der großen Koalition für die SPD

von Carsten Sieling

Jede linke sozialdemokratische Strategiedebatte sollte das enttäuschende Wahlergebnis bei der Bundestagswahl zum Ausgangspunkt haben. Die Ursachen sind ebenso wie die Analysen vielfältig. Konsens ist: Verloren gegangenes Vertrauen lässt sich nicht von heute auf morgen wieder herstellen. Deshalb war es wichtig, dass die SPD-Verhandlungsstrategie für den Koalitionsvertrag konkret ausgelegt war. So konnten zentrale sozialdemokratische Forderungen im Koalitionsvertrag verankert werden.  mehr

Das EU-Freihandelsabkommen mit USA

von Hilde Mattheis

Die Zielsetzung des TTIP klingt zunächst ganz einfach: „Das Abkommen soll für Beschäftigung und Wachstum sorgen, indem es den Zugang zum US-amerikanischen Markt erleichtert, die Kompatibilität der Regulierungsmaßnahmen der EU und der USA verbessert und den Weg zur Festlegung globaler Normen ebnet.“ (EU-Kommission).
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Wider die wirtschaftliche Vernunft – Eurogegner auf Stimmenfang

von Björn Hacker

Eine europäische Allianz der Eurogegner mag ein Widerspruch in sich sein. Vor den Europawahlen wird das einende Band sichtbar, mit dem rechtspopulistische Parteien in der EU werben: nationale Währung und nationale Grenzen statt Euro und Freizügigkeit. Ob Geert Wilders, Marine Le Pen oder Nigel Farage - sie verbreiten Angst vor Überfremdung und Fremdbestimmung. Die Krise Europas unterstützt ihre Argumentation und trägt den angeblichen Heilsbringer nationaler Souveränität bis in die Mittelschichten. mehr

Von Lissabon bis nach Athen – ein Marshall-Plan 2.0 für Wissenschaft und Forschung

von Ernst Dieter Rossmann

EEG 2.0: Nachsteuern für Bürgerenergie!

von Klaus Mindrup

Die gefürchtete Vollbremsung des Ausbaus erneuerbarer Energie blieb aus. Jetzt steht das parlamentarische Verfahren für das Erneuerbare-Energien-Gesetz an und nach dem „Struckschen Gesetz“ verlässt ein Gesetzentwurf den Bundestag nie so wie er hereingekommen ist. mehr

Debatte: Phantomdiskussion „kalte Progression“

von Heinz-J. Bontrup

Es gibt Stimmen, die behaupten, es sei ungerecht und leistungsfeindlich, dass bei einem linear-progressiven Steuertarif Bruttoeinkommenszuwächse in Höhe der Inflationsrate bei unteren und mittleren Einkommensbeziehern (20.000 bis 50.000 Euro zu versteuerndem Einkommen p.a.) zu einer höheren Grenz- und Durchschnittsbesteuerung führen würden, obwohl die Kaufkraft des Steuerpflichtigen nicht gestiegen sei. Diese sogenannte „kalte Steuerprogression“ trifft aber nicht nur die unteren und mittleren Einkommensbezieher, sondern genauso die höheren Einkommen, die Gewinn-, Zins-, Miet- und Pachtempfänger. mehr

Konformismus, Korporatismus und / oder Systemkritik – Perspektiven von Beschäftigten

von Ingo Matuschek

Bereits vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise galten Kontinuität hinsichtlich der den Gewerkschaften eigenen Werte (grundlegend die Trias Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität) bei Flexibilität der mittelfristigen wie tagesaktuellen Ziele und der zu wählenden Instrumente als geeignete Strategie, um gewerkschaftliche Arbeit unter den Bedingungen zunehmender Teilzeit- und Leiharbeit, prekären wie pluralisierten Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen und veränderter Tariflandschaft etc. auszurichten (vgl. Arlt et al. 2007). Zu jener Zeit wurde eine Defensivlage der Gewerkschaften konstatiert (für den Bereich der IGM vgl. Ehlscheid / Urban 2007), die sich zu einer veritablen Schwächung der industriellen Beziehungen insgesamt ausgeweitet hatte, weil auch auf Seiten der Arbeitgeber gleichlaufende Entwicklungen und institutionelle Veränderungen zu verzeichnen waren. mehr

Gescheiterter Korporatismus

von Wolfgang Uellenberg - van Dawen

Am 14. März 2003 verkündete Gerhard Schröder im Deutschen Bundestag die Agenda 2010. Obwohl von der Arbeitsmarkt- über die Sozial-, die Tarif- bis hin zur Bildungs- und Innovationspolitik viele Bereiche angesprochen wurden, konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf die Aussagen zur Arbeitsmarkt-, Sozialstaats- und Tarifpolitik. Die Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Senkung der Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber und eine stärkere Belastung von Beitragszahlern und Leistungsempfängern sowie die Ankündigung des Kanzlers, dass der Gesetzgeber auch in die Tarifautonomie gesetzlich eingreifen würde, wurden in der Öffentlichkeit als Reformsignal, im DGB und seinen Gewerkschaften überwiegend als Kampfansage verstanden. mehr

Die Sozialpartnerschaft muss sich bewähren

von Hilmar Höhn

Nach Lesart vieler Großkommentatoren und Großpolitiker war das Jahr 2008 der Beginn einer neuen Ära der Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital.
Gewerkschaften, Arbeitgeber, Sozialversicherungen und Bundesregierung handelten so umsichtig, dass der externe Schock der Finanzkrise keine verheerenden Auswirkungen auf einen der Kerne der deutschen Wirtschaft hatte. Dank einer ausgeprägten Tarifstruktur war es möglich, in den Betrieben und Verwaltungen die Arbeitszeit kräftig zu reduzieren.
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Tarifautonomie in Ostdeutschland – Gelegenheit für einen ostdeutschen Relaunch

von Sabine Heinrich, Michael Reschke

Erleben wir einen Relaunch der ostdeutschen Arbeitsbeziehungen? Weht der Geist des Korporatismus, ja gar der Sozialpartnerschaft der alten bundesrepublikanischen „Deutschland AG“ nun auch – mit zwei Jahrzehnten Verspätung – durch Ostdeutschland? Die Antwort auf diese Fragen wäre vermutlich ein überzeugtes „einerseits, andererseits“. Dafür spricht, dass das Thema zumindest deutlich an Konjunktur gewonnen hat. Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man sich die Vielzahl an Erklärungen und Initiativen in Ostdeutschland zur Stärkung der Sozialpartnerschaft seit 2010 vor Augen führt. mehr

Arbeitslosigkeit und Löhne in Europa – Aktuelle Entwicklungstrends unter den Bedingungen der Krise

von Thorsten Schulten

Zu Beginn des Jahres 2014 mehren sich die Stimmen, die die Krise in Europa für beendet erklären oder zumindest davon ausgehen, dass nunmehr das schlimmste überwunden sei. Die Prognosen der Europäischen Kommission versprechen europaweit eine Rückkehr des Wachstums und geben sich optimistisch, dass auch in den europäischen Krisenstaaten die umfangreichen „Strukturreformen´“ der letzten Jahre nunmehr zu wirken beginnen (European Commission 2013a). Demnach sind es gerade die umfangreichen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Lohnpolitik, die im herrschenden EU-Diskurs nun zu den Garanten des ökonomischen Wiederaufstiegs erklärt werden.
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Stichwort Wirtschaftspolitik: Der Entwurf des Bundeshaushalts 2015 – Grund zur Zufriedenheit?

von Arne Heise

Die aktuelle Zahl:23

von Claudia Bogedan

Crossover: Stolperfalle Militäreinsätze?

von Niels Annen, Stefan Liebich

Soll eine sozial-ökologische Kräftekonstellation im Jahr 2017 keine Wunschvorstellung bleiben, muss sie durch intensive Debatten zwischen den linken Parteien, Gewerkschaften, Verbänden und sozialen Bewegungen vorbereitet werden. Aus Sicht der SPD-Linken hat der Öffnungsbeschluss von Leipzig Möglichkeiten für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit auf Bundesebene  eröffnet, die vorher SPD-intern blockiert waren. Andererseits erschwert die Einbindung der Partei in die große Koalition zugleich die langfristige und glaubwürdige Suche nach neun Bündnissen. Es gilt, nicht nur auf bekannte Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verweisen, sondern Brücken über die unterschiedlichen programmatischen Ansätze und Vertrauen zwischen den Akteuren zu bilden. Wird dieser Prozess allein machttaktisch und nicht als politisches Projekt verstanden, entsteht weder unter den beteiligten Akteuren noch in den jeweiligen Wählerklientelen Vertrauen. Mit der neuen Artikelserie crossover versucht spw, die diskursiven Schnittmengen zwischen progressiven Parteien, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zu vergrößern und gemeinsame politische Gestaltungsperspektiven zu entwickeln. Zum Auftakt diskutieren Niels Annen und Stefan Liebich über das zwischen SPD und Linkspartei wohl am stärksten umstrittene Politikfeld der Außen- Sicherheits- und Friedenspolitik. mehr

Eduard Bernstein und der „Revisionismus”

von Michael R. Krätke

An einem schönen Novemberabend des Jahres 1880 saßen im Café Royal am Piccadilly-Circus, mitten in London, zwei deutsche Herren in angeregtem Gespräch. Der eine, mit wallendem, grauen Haar und Bart, ein rüstiger Sechziger, der andere, dreißig Jahre jünger, mit Brille und Stirnglatze. Der gut gekleidete ältere Herr, Dr. Karl Marx, lebte schon seit über dreißig Jahren im Londoner Exil. Der jüngere, Eduard Bernstein, war zum ersten Mal in seinem Leben nach London gereist, um eben diesen Dr. Marx und seinen Freund Friedrich Engels zu treffen. Er war mit August Bebel gekommen, „in die Höhle der Löwen“, um sich den Segen der beiden berühmten, bewunderten und gefürchteten Alten zu holen. Die SPD war verboten, stand seit 1878 unter Ausnahmegesetz, ihre Presse wurde unterdrückt und ihr einziges Sprachrohr, die Zeitschrift „Der Sozialdemokrat“, musste in der Schweiz gemacht und illegal nach Deutschland geschmuggelt werden. Chefredakteur des Blatts, das seit Oktober 1879 regelmäßig jede Woche erschien, sollte Eduard Bernstein werden. Er wurde es und er machte seine Sache gut.
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Sammelrezension: Antonio Gramsci und die Entwicklungen der Hegemonietheorie

von Thilo Scholle

Rezension: Tamara Ehs, Stefan Gschiegl, Karl Ucakar, Manfried Welan (Hg.) – Politik und Recht

von Thilo Scholle

DL 21 Aktuell