Ausgabe: spw 171

Anschluss verpaßt? Perspektiven berufsbezogenen Lernens

Einleitung zum Heftschwerpunkt

Unter dem Motto „Qualifizieren statt entlassen“ versucht die Bundesregierung eine
Beschäftigungsbrücke über die Krise zu schlagen. Inwiefern diese bis ans rettende Ufer eines Aufschwungs reichen wird, bleibt angesichts der trüben Aussichten weiter fraglich. Offen ist auch, inwieweit es aktuell gelingt, den Anspruch der „Qualifizierung“ einzulösen. Denn die Ausgangssituation in Deutschland ist denkbar schlecht:
Weiterbildung spielt in den meisten Betrieben und für die meisten Beschäftigten keine Rolle. Deutschland hat im Vergleich zu den Weiterbildungs-Champions im Norden Europas den Anschluss verpasst. Und der Abstand wächst. Denn seit 1997 ist die Beteiligung an Weiterbildung auch noch rückläufig. In Deutschland ist zudem eine wachsende Gruppe vom Zugang zu beruflicher Erst- und Weiterbildung ausgeschlossen.
Gerade mal ein Drittel aller Betriebe in Deutschland engagierte sich im Jahr 2007 in der betrieblichen Ausbildung. Etwas mehr als ein Viertel machte von der Ausbildungsberechtigung keinen Gebrauch und ungefähr 40 Prozent waren
nicht ausbildungsberechtigt. Auch wenn im vergangenen Jahr die Ausbildungsbeteiligung erneut stieg, klafft noch immer eine Lücke zwischen dem
Angebot und der Nachfrage nach Lehrstellen. Bettina Kohlrausch zeigt in ihrem Beitrag, dass die Gruppe der gering Qualifizierten wächst ohne dass es adäquate Qualifizierungangebote für sie gäbe. Die jüngsten Daten zeigen, dass jeder fünfte
Ausbildungsabsolvent erst mal arbeitslos wird.

Artikel

Inhalt Heft 171

Einleitung zur spw 171

von Claudia Bogedan, Bettina Kohlrausch, Stefan Stache

Unter dem Motto „Qualifizieren statt entlassen“ versucht die Bundesregierung eine Beschäftigungsbrücke über die Krise zu schlagen. Inwiefern diese bis ans rettende Ufer eines Aufschwungs reichen wird, bleibt angesichts der trüben Aussichten weiter fraglich. Offen ist auch, inwieweit es aktuell gelingt, den Anspruch der „Qualifizierung“ einzulösen. Denn die Ausgangssituation in Deutschland ist denkbar schlecht: Weiterbildung spielt in den meisten Betrieben und für die meisten Beschäftigten keine Rolle.   mehr

Pro und Contra: Mit Steuersenkungen aus der Krise?

von Roland Döhrn, Till van Treeck

Wir sind nicht nur die Lohnmaschine in der Automobilindustrie

von Uwe Meinhardt

spw: Die Rettung von Opel ist Gegenstand politischer Auseinandersetzungen, zugleich erfreut sich die Abwrackprämie großer Beliebtheit. Reichen die Bemühungen aus oder liegt das Problem nicht in einer Strukturkrise der Automobilindustrie, auch der im Neckartal?

„Uwe Meinhardt: Wir haben es in der Tat mit einer Strukturkrise der Branche zu tun, die im Kern aus zwei Elementen besteht: ...

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Neue tarif- und betriebspolitische Ansätze bei der beruflichen Weiterbildung

von Hartmut Seifert

Problemstellung und Ausgangslage Kaum ein Thema findet in der politischen wie wissenschaftlichen Debatte derartig breite Zustimmung wie die Forderung nach einer systematischen Ausweitung der beruflichen Weiterbildung. In einem seltsamen Missverhältnis hierzu stehen die betrieblichen Aktivitäten. Zwischen 1997 und 2003 ließen sie sogar nach. Seitdem haben sie sich zwar auf niedrigem Niveau stabilisiert. Im europäischen Vergleich rangieren sie aber lediglich im Mittelfeld.   mehr

Abgehängte Jugend?

von Claudia Bogedan

Das deutsche Bildungssystem wirkt hoch selektiv (vgl. auch spw 159/2007): Nur 46 Prozent der Kinder von Nichtakademikern erreichen einen Abschluss der Sekundarstufe II, dagegen sind es 88 Prozent der Akademikerkinder (das Kriterium ist, dass der Vater einen Hochschulabschluss hat). Von den Akademikerkindern mit Abitur nehmen im Anschluss 94 Prozent ein Studium auf. Aber nur 50 Prozent der Nichtakademikerkinder wählen diesen Weg (Zahlen aus: 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks / Hochschul-Informations- System 2007). Im Jahr 2006 haben ca. acht Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren die Schule ohne einen allgemeinbildenden Schulabschluss verlassen. Die Arbeitslosenquote der Jüngeren (bis unter 25-Jährigen) liegt mit 8,1 Prozent im April 2009 nur leicht unterhalb der Gesamterwerbspersonen (8,6 Prozent). Und für diejenigen, die in Beschäftigung finden, wartet oft nur ein prekärer Arbeitsplatz. Zwei Drittel der jungen Beschäftigten arbeiten nach ihrer Ausbildung befristet, in Teilzeit, als Leiharbeiter/in oder in Praktika. Eine sichere berufliche Perspektive ist somit nur noch für eine vergleichsweise kleine Gruppe gegeben. Es ist zu erwarten, dass sich infolge der Wirtschaftskrise die Lage für die Jüngeren im Arbeitsmarkt eher verschlechtert als verbessert.   mehr

Wer sind die jungen Geringqualifizierten und welche (Weiter)bildung brauchen sie?

von Bettina Kohlrausch

Traditionell sichert aktive Arbeitsmarktpolitik Phasen der Erwerbslosigkeit ab mit dem Ziel über Qualifizierung die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Zunehmend richten sich Instrumente der Arbeitsförderung allerdings an Jugendliche, die sich in der Phase des Übergangs von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt (vergl. den Beitrag von Bogedan in diesem Heft) oder sogar erst in der Phase des Übergangs in eine berufliche Ausbildung befinden.   mehr

Flexibilität und Beschäftigung

von Günther Schmid

Die moderne Arbeitswelt ist nicht mehr binär durch Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Viele Menschen nehmen heutzutage im Laufe ihres Erwerbslebens mehrere oder in der Arbeitszeit variierende Arbeitsverhältnisse wahr. Diese Übergänge sind oft riskant. Darüber hinaus substituieren die Arbeitgeber zunehmend reguläre durch atypische Beschäftigungsverhältnisse. Dadurch werden die sozialen Risiken in zunehmend ungerechter Weise auf die Schwächsten in unserer Gesellschaft überwälzt. Die Risikoteilung in unserem Sozialstaat ist ungerechter geworden. Ungerechte Verteilung aber nur nachträglich durch Transferzahlungen zu kompensieren, reicht heute nicht mehr aus. Der moderne Sozialstaat gewährleistet in erster Linie den Zugang zu gleichen Lebenschancen. Er konzentriert sich nicht auf Bedarfsgerechtigkeit, sondern auf Befähigungsgerechtigkeit, d.h. auf die Befähigung aller, Autoren ihres eigenen Lebens werden zu können.   mehr

Kurzum

von Thomas Westphal

Müssen wir die deutsche Nachkriegsgeschichte neu schreiben? Ist die Geschichte der 68er Bewegung eine Geschichte von Geheimdienstkämpfen? Hat der DDR-Sozialismus gezielt Brandbeschleuniger zur Radikalisierung der APO eingesetzt? Ist der 2. Juni 1967 mit den Todesschüssen auf Benno Ohnesorg die dafür perfekte Stasi-Inszenierung gewesen? mehr

Rechtsstaat und Revolution

von Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer

Die Enteignung nach Artikel 14,15 GG ist jetzt in aller Munde. Hingegen: die bisherigen Enteignungen von Kleinunternehmen (ca. 25 000 Insolvenzen p.a.), leinaktienbesitzern, Häuslebauern wurden ebenso selten öffentlich verhandelt, wie die Enteignung der Arbeitskräfte. Die Expropriation der Expropriateure ist zwar ein kluger Kalauer, verrät aber nichts über künftige Eigentumsformen und vor allem auch nichts über den Charakter seines Eigentumsüberträgers: den Staat. Was sagen denn wir, wenn sich die gegenwärtige Kapitalkrise in eine paar Monaten in eine Superstagflation oder Währungsreform entlädt? Eine handlungsfähige LINKE muss Staat neu konzipieren lernen. Und dies vom Standpunkt des privaten Handwerks, der Ökolandwirte, der aufgeklärten Citoyens, aber vor allem der Opelianer, der Nokia-Belegschaft, der Kolleginnen und Kollegen bei Conti, bei Commerz- und Deutscher Bank, jedoch nur bei Entfaltung des sozialpartnerschaftlich konditionierten Tradeunismus hin zum Bewusstsein der Klasse an und für sich.   mehr

Rezension: Ökonomie für eine zukunftsfähige Gesellschaft

von Edgar Göll

Die immer deutlicher werdenden ökologischen, sozioökonomischen und kulturellen Bedrohungen für die menschliche Zivilisation stellen die herkömmlichen Wirtschaftskonzepte radikal in Frage, und zugleich zeichnen sich Konturen neuer Konzepte ab. Zur Konturierung trägt auch das neu aufgelegte Lehrbuch von Rogall bei. Ziele des Buches sind die allgemeinverständliche Darstellung der wesentlichen Aspekte der neuen Konzeption der ökologischen Ökonomie und der neuen Umweltökonomie. Außerdem sollen diese jungen Teildisziplinen damit weiter entwickelt werden (S.17).   mehr

Stichwort zur Wirtschaftspolitik: Kurzarbeit

von Arne Heise

Im Zuge der gegenwärtigen Depression erwartet die OECD eine Job-Katastrophe für Deutschland: Bei einem prognostizierten Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von über 5 Prozent in 2009 und einer Stagnation (+0,3 Prozent) 2010, sieht die OECD einen Anstieg der Arbeitslosigkeit von gegenwärtig etwa 3,5 Mio. auf über 5 Millionen im nächsten Jahr voraus. mehr

Ausschluss, Prekarisierung, Spaltung: über die Notwendigkeit einer gesellschaftspolitischen Klärung des Begriffs von der sozialen Exklusion

von Sascha Howind

Gefahr für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland?

Die Aussagen der PräsidentschaftskandidatinGesine Schwan, sie fürchte um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland und die darauf folgende Ergänzung von DGB-Chef Michael Sommer, er befürchte gar den Ausbruch sozialer Unruhen, haben heftige Reaktionen verursacht. Aus den Reihen der Unionsparteien wird ihnen unter anderem „unverantwortliche Schwarzmalerei“ vorgeworfen; die Aussagen selber würden soziale Spaltung provozieren und eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellen.

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Ein unheilvoller Wettbewerb

von Sven Lüders

Wenn BürgerrechtlerInnen die staatliche Datenerhebung kritisieren, wird ihnen gern entgegen gehalten, dass der Staat seinen bedrohlichen Charakter inzwischen verloren habe. Die Privatsphäre werde heute stärker durch Unternehmen bedroht, die das Kaufverhalten ihrer KundInnen erforschen sowie Loyalität und Leistungsbereitschaft ihrer MitarbeiterInnen kontrollieren wollen. Absender dieser Botschaft sind meist PolitikerInnen, die mit mehr Informationen über die BürgerInnen mehr Sicherheit schaffen wollen. Ihr Verweis auf die noch schlimmeren Datensammler soll die Bedenken gegen das eigene Tun zerstreuen.  mehr

Ist die Wirtschaft für die Menschen da?

von Raoul Machalet

Wenn Politik glaubwürdig sein will, müssen die Worte des Programms durch das politische Handeln gestützt werden. Es darf keine Lücke zwischen Wort und Tat entstehen. Sonst wirkt das Wort aufgesetzt, leer, hohl wie eine Phrase. Diese Gefahr besteht für die SPD beim Thema Tariftreue und bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping. mehr

Weiterbilden statt weiter gehen – fünf Vorschläge für die Politik

von Horst Palik

Die Forderung nach einer stärkeren Förderung von Weiterbildung und lebenslangem Lernen gehört schon seit Jahren zu den Selbstverständlichkeiten im bundesdeutschen Politikbetrieb. Ziel dieses Beitrages ist es nicht, aufzuzeigen, wie groß die Differenz zwischen Reden und Handeln auf diesem Politikfeld ist, sondern konkrete Vorschläge zur Diskussion zu stellen, wie die Einheit von Reden und Handeln im Bereich der Weiterbildungsförderung erreicht werden könnte.   mehr

Nachruf auf Ralf Schmitz

Völlig unerwartet und viel zu früh ist Ende April unser früherer Mitstreiter Ralf Schmitz bei einem Unfall verstorben. Von 1989 bis Ende 1993 hat er als spw-Redaktionssekretär unter den bescheidenen materiellen Umständen der Zeitschrift unbeirrt für kleines Geld einen guten Job gemacht.   mehr

Personen und Positionen

Kinderspiel Kapitalismus: Im Fußballstadion

von Gesa Rünker

Der Kapitalismus übt nirgends Zurückhaltung, begnügt sich nicht mit unserer Arbeitswelt, er mischt sich ein in unseren Alltag, gerade da läuft er zur Hochform auf, immer wieder raunt er uns einschmeichelnd zu: „Kaufe, konsumiere, öffne dein Herz, öffne die Börse, zahle – und alles wird gut.“   mehr

5 Fragen an ... Sigrid Skarpelis-Sperk

von Sigrid Skarpelis-Sperk

Sigrid Skarpelis-Sperk, 1945 geboren in Prag, sie studierte Volkswirtschaft in München und war im Anschluss als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Göttingen und München tätig. Sie promovierte 1977 zum Dr. rer. pol. und war schließlich ab 1978 im Bundesministerium für Forschung und Technologie. Sie engagierte sich sowohl führend in der Studentenbewegung der 60 Jahre als auch in der Widerstandsbewegung gegen die griechische Militärjunta, in der ihr Mann eine führende Rolle einnahm. Seit 1969 ist sie Mitglied der SPD und war lange Jahre stellvertretende Vorsitzende der SPD Schwaben und im Landesvorstand der SPD Bayern. Von 1980 bis 2005 war Sigrid Mitglied des Deutschen Bundestages mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik und Globalisierung in zahlreichen Funktionen als Kommissions- und Unterausschuss- Vorsitzende sowie Fraktionssprecherin. 12 Jahre gehörte sie dem SPD-Parteivorstand an und arbeitete in zahlreichen Programmkommissionen mit. Sie ist eine gestandene Parteilinke und Mitherausgeberin der spw. Sigrid Skarpelis-Sperk ist verwitwet und hat eine Tochter.   mehr