Politische
Kommunikation 2002
Herausforderungen
für Parteien
Matthias Machnig
Matthias Machnig, Sozialwissenschaftler, ist Bundesgeschäftsführer
der SPD und Wahlkampfleiter für die Bundestagswahl 2002, er lebt
in Berlin.
Politik und Politiker sind Teil der medialen Arena, und damit Mediensubjekt
wie Medienobjekt. Die Medien selbst nehmen im politischen Prozess eine
herausragende Funktion ein, denn sie " [...] berichten nicht die
Geschehnisse, sie entscheiden, was geschehen ist" (Kocks 2001). Norbert
Bolz charakterisiert "die Zeit der Weltkommunikation [...] dadurch
[...], dass Kommunikationswahrnehmung an die Stelle der Weltwahrnehmung
tritt." (Bolz 2001) Medien setzen die Themen, über die Wähler
reden, reflektieren und diskutieren. Beide Zitate verdeutlichen: Politisch
ohne Medien zu kommunizieren bedeutet nicht zu kommunizieren. Politische
Kommunikation ist mehr denn je Medienkommunikation.
Der Bürger reagiert auf diese Entwicklung kritisch: Einerseits fordert
er, der für die Medien zunächst Konsument ist, von seinen Repräsentanten
Kompetenz, Klarheit, Unterscheidbarkeit, Prägnanz und Authentizität.
Sie werden an postum medial zu kantigem Urgestein stilisierten Charakteren
wie Herbert Wehner, Willy Brandt oder Franz-Josef Strauß gemessen.
Andererseits reagiert der Konsument jedoch in seiner Eigenschaft als Staatsbürger
auf mediale Stilisierungen mit dem Verdacht, nicht richtig oder umfassend
informiert zu sein.
Politische Kommunikation ist zu einer komplexen Aufgabe geworden - gerade
durch die differenzierte, globale Medienlandschaft in der "News,
die nicht von Reuters und [...] anderen Agenturen verbreitet werden, [...]
eigentlich keine News" (so der Medienwissenschaftler Oliver Boyd-Barrett)
sind. Die Selektionsmechanismen der Medien werden zu Selektionsmechanismen
der öffentlichen Wahrnehmung. Zusätzlich veränderte sich
das gesellschaftliche Umfeld, in dem Politik agiert, und mit dem Politik
kommuniziert.
Dieser Beitrag benennt die Umbrüche, die für die politische
Kommunikation von heute wichtig sind, nennt Voraussetzungen, unter welchen
politische Kommunikation erst möglich wird, entwickelt Kriterien
für politische Botschaften und zeigt, dass politische Kommunikation
immer auch Wertekommunikation ist.
1. Gesellschaftliche Umbrüche
Gesellschaftliche Veränderungen und Trends sind für die politische
Kommunikation wichtig: Sie verändern die Bedingungen und Anforderungen
wie politisch kommuniziert werden kann. Der Soziologe Ulrich Beck prägte
mit seinen soziologischen Termini "Individualisierung" und "Pluralisierung"
die Debatte um die gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahre.
Diese gesellschaftlichen Umbrüche spielen im Leben der Deutschen
eine wichtige Rolle und sind deutlich: Der Anteil der Ein-Personen Haushalte
stieg von 1975 bis 1998 von 27,6% auf 36,2%, während der Anteil von
fünf- oder Mehr-Personen- Haushalten von 10,6% auf 4,8% fiel. Deutsche
leben in immer kleineren Haushalten, heiraten später, bekommen weniger
Kinder, und lassen sich eher scheiden.
Der Anteil von Familien mit nur einem Elternteil und von Kindern nichtverheirateter
Eltern ist in Deutschland und Europa angestiegen. Zudem erhöhte sich
die Anzahl alleinlebender Menschen, die vollständige Kernfamilie
wird seltener. Auch neue Lebensformen, wie die gleichgeschlechtlichen
Partnerschaften finden größere Akzeptanz. Auch gehören
unserer Gesellschaft mehr Bürger ausländischer Herkunft an als
jemals zuvor: Seit 1988 stieg die Zahl von 4,5 auf 7,3 Millionen, das
entspricht mittlerweile einem Anteil von 8,9%.
Waren 1950 25% der Erwerbstätigen im primären Sektor beschäftigt,
sank dieser Anteil bis 2000 auf 2,5%. 64 Prozent der Beschäftigten
sind heute im tertiären Sektor tätig. Die "Tertiärisierung"
- also die Entwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft - bedeutet
aber auch, dass immer mehr Menschen immer höher qualifiziert werden
(müssen). Ein Indiz dafür ist der gestiegene Akademikeranteil.
Dieser ist mit 9% dreimal so hoch ist wie 1950, während der Anteil
ungelernter Arbeitnehmer von etwa 75% auf 25% im Jahr 2000 fiel.
Technische Innovationen durchdringen unser Leben und die Art, wie wir
arbeiten können. Es sind neue Handelsformen entstanden: Arbeitnehmer
können durch Telearbeit zeit- und ortsunabhängig arbeiten. Viele
bekommen die Möglichkeit, von zu Hause über Internet, Fax und
Telefon zu arbeiten. Der Druck auf die Arbeitnehmer in Deutschland sich
fort- und weiterzubilden stieg. Technologisch wenig anspruchsvolle Arbeitsprozesse
werden im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung ausgelagert werden.
Mit diesen neuen Lebensformen sind veränderte sozialmoralische Milieus,
Prioritäten, Interessen und Erwartungen an Politik verbunden. Die
gesellschaftlichen Umbrüche in der Arbeitswelt und der Lebensstile,
verändern sozialdemokratische und konservative Milieus und ihre Integrationskraft.
Das hat für Parteien weitreichende Folgen: Mehrheiten werden heute
zu Allianzen auf Zeit, zu eher lose verkoppelten Interessengemeinschaften,
die es durch politische Kommunikation zu organisieren und mobilisieren
gilt. Kommunikationsfähigkeit wird damit zur politischen Schlüsselaufgabe
von Parteien.
2. Politische Umbrüche
Politische Prozesse sind unübersichtlicher geworden: Die nationalstaatliche
Politikebene ist durch eine europäische erweitert, durch eine globalisierte
beschränkt worden. Das neue Politiksystem, das auf europäischer
Ebene entstanden ist, besteht aus einer Struktur, deren Abgrenzung und
Zuordnung sich der breiten Bevölkerung noch nicht erschlossen hat.
Zwar war die Einführung des Euro als Bargeld 2002 ein Erfolg: Er
hat das emotionale Potenzial gezeigt, dass Europa für die Menschen
entfalten kann. Es gilt die Anfangseuphorie zu nutzen um die europäische
Idee weiter konsequent voran zu treiben. Trotz Euro bleibt Europa, reduziert
auf "Brüssel", abstrakt: Debatten über die Europäische
Kommission, den Europäischen Gerichtshof oder die Europäische
Zentralbank sind immer noch reine Elitediskussionen. Es ist nicht verwunderlich,
dass es für die Mehrheit der Wählerschaft schwierig ist, den
Europäischen Rat vom Rat der Europäischen Union zu unterscheiden;
Strukturelle und kommunikative Defizite paaren sich hier, denn auch die
Kompetenzen-Zuordnung wird immer undurchschaubarer: Kommunal-, Landes-,
Bundes- und Europapolitiker konkurrieren um Macht, Einfluss und Entscheidungen.
Immer mehr Verbände versuchen auf den verschiedenen Politikebenen
ihre Interessen durchzusetzen: Die Zahl der Verbände stieg seit 1974
um 140%. Das sogenannte Lobbying entwickelte sich zu einem Boomgeschäft,
das sich stark professionalisiert hat: Zahlreiche Unternehmen bauten am
Medienstandort Berlin eigene Abteilungen unter Begriffen wie "Government
Relations" oder "Public Affairs" auf. Nicht nur im Sprachgebrauch
sind diese Anglizismen neu; damit hat auch die kampagnenmäßige
Mobilisierung der öffentlichen Meinung zugenommen.
Die zahlreichen Akteure versuchen auf politische Entscheidungen Einfluss
zu nehmen. Das begrenzt politische Handlungsfähigkeiten, Spezial-
oder Sonderinteressen gewinnen an Einfluss, und erschweren für Bürgerinnen
und Bürger die politischen Prozesse zu verstehen: Es bereitet immer
mehr Mühe, den Fachdebatten zu folgen. Noch unter der CDU Regierung
1996/97 wurde die Steuer- und Rentenreformdebatte mit einer intensiven
Berichterstattung begleitet. Ein hoher Informationsstand in der Bevölkerung
wäre zur erwarten gewesen - trotzdem konnten bei einer Umfrage nur
6% der Befragten die verschiedenen Positionen einzelnen Parteien zuordnen.
Politische Eliten sollten die Intelligenz der Wähler nie unterschätzen,
ihr Interesse an Politik aber nie überschätzen. Dieses steigt,
wenn innerhalb der Bevölkerung das Gefühl entsteht, dass die
eigene Stimme von zunehmender Bedeutung ist. Während der Bundestagswahl
1998 beispielsweise unterhielten sich laut einer Allensbach Umfrage gut
zwei Drittel der Bevölkerung über die Wahl - das waren doppelt
so viele wie 1994. Richtungsentscheidungen scheinen im hohen Maße
der politischen Partizipation und damit der Demokratie dienlich zu sein.
Auf der einen Seite werden Wähler mit immer komplexeren Themen konfrontiert,
für die ihnen immer weniger Zeit zur Verfügung steht. Geht man
davon aus, dass Wähler nach einer Art kommunikativem Maximalprinzip
handeln, also versuchen, mit einem gegebenem Einsatz das beste Ergebnis
zu erreichen, so müssen sie thematisch selektieren, sich also
entscheiden, welches Thema für sie Priorität besitzt.
Politik heißt in unserer komplexen Welt immer eine Bewältigung
von Zielkonflikten und zeitlicher, ökonomischer und sozialer Eigenlogiken
bestimmter Themen oder Subsysteme. Dieser Kompromisscharakter politischer
Entscheidungen erschwert Eindeutigkeiten, Identifikationen und Nachvollziehbarkeiten.
Es gibt eben nicht die Antwort auf komplexe gesellschaftliche Probleme.
Daher haben Volksparteien es immer schwerer, ihrem Anspruch, die gesamte
gesellschaftliche Bandbreite und dem Wunsch nach Identifikation und Eindeutigkeit
politisch zu repräsentieren, gerecht zu werden. Politische Kommunikation
kann aber nur gelingen, wenn sie Komplexität reduziert und Themen
symbolisch exemplarisch erläutert.
3. Mediale Umbrüche
Der amerikanische Kommunikationsforscher Harold D. Lasswell versuchte
1948 mit der Frage "Who says what in which channel to whom with what
effect" die Felder seines Fachgebiets zu definieren. Die Antwort
auf "which channel" wird in Deutschland, und nicht nur hier,
schwieriger. Neue technische Möglichkeiten im Bereich der Informationsübertragung
veränderten die Medien, und die Art, wie wir sie nutzen (können).
Mehr Anbieter denn je konkurrieren in den unterschiedlichen Mediensparten:
Im Fernsehen stieg die Zahl der Sender seit 1984 von drei bis vier auf
mittlerweile über 60. Eine ähnliche Entwicklung gibt es im Print
- Bereich. Der Bürger kann mittlerweile aus einem Angebot von 851
Titeln wählen, das entspricht einer Steigerung seit 1990 um 54% .
Es gab noch nie so viele Medienformate, in denen die Bürger als Medienkonsumenten
mit einer Flut von Angeboten überschwemmt wurden. Wer hätte
beispielsweise noch vor einigen Jahren gedacht, dass ein landesweit vertriebenes
Hochglanzmagazin, sich ausschließlich mit Fragen auseinandersetzt,
wie eine Hochzeit am besten zu organisieren ist?
Angesichts dieser Vielfalt ist es heute sehr unwahrscheinlich, dass zwei
Personen die gleiche Sendung sehen - zumal der gesamte Werbeaufwand in
Deutschland im ersten Halbjahr 2000 bei 34 Milliarden lag, während
zusätzlich 412.000 kommerzielle TV-Spots allein in den klassischen
Medien auf den Zuschauer einprasselten. Die neuen Medien sind im Vormarsch:
27,3 Millionen User gehen hierzulande im Alter von 14 bis 69 Jahren ins
Internet. Auch als Informationsquelle gewinnt das Internet an Bedeutung:
Mehr als drei Viertel (79 Prozent), halten das Internet laut einer vom
Hamburger Forschungs- und Beratungsinstitut Mediatransfer Netresearch
and Consulting durchgeführte Erhebung unter 500 deutschen Internet-Nutzern
schon heute als Nachrichtenquelle für unverzichtbar. 87 Prozent sehen
im "world wide web" die Möglichkeit, sich besonders schnell
und zu jeder Zeit über das weltpolitische Geschehen zu informieren.
Am 11. September wurde dies besonders deutlich: Die Homepage von "SpiegelOnline"
brach innerhalb weniger Minuten nach dem Anschlag unter dem Ansturm informationshungriger
Surfer zusammen. Das Medium bietet seinen Nutzern Interaktivität,
Aktualität und Dezentralität. Es ermöglicht ihm, sich sein
Informationsangebot individuell zusammenzustellen.
Der Hamburger Medienwissenschaftler Ottfried Jarren sieht darin die Umkehr
der "auf allgemeine Verteilung angelegten Massenmedien mit Programmcharakter
hin zu stärker individuell nutzbaren Abrufmedien mit einzelnen Angeboten."
(Jarren)
Die Medien heute präsentieren sich pluralisiert, fragmentiert und
ökonomisiert, d.h. immer mehr Medien versuchen mit einem immer kleineren
Publikum Gewinn zu erwirtschaften. Die Medienlandschaft ist ein Markt,
auf dem ganz unterschiedliche Anbieter Platz haben und in einem harten
inter- und intramedialen Wettbewerb um Marktanteile konkurrieren. Marktorientierung
heißt gesendet wird was gefällt, sowie Quoten und Auflagen
bringt. Politik, politisch anspruchsvolle Sendungen oder Printmedien haben
es schwer sich auf einem diesem Terrain zu behaupten. Der Politik-Talk
ist die derzeitige Antwort auf diese Entwicklung und mancher Beobachter
spricht bereits davon, dass die Sendung Sabine Christiansen die Debatte
im Bundestag ersetzt habe. Diese Sendeformate, die zum Standart nahezu
jedes Senders gehören, versuchen Politik mit Unterhaltungselementen
zu präsentieren. Diese Form des Politainment (Vgl. Dörner 2001)
ist zum einflussreichsten und meistbeachteten Politikformat geworden.
Parteien rivalisieren heute mit einer komplexen, differenzierten Medienlandschaft
und einer Freizeit- und Erlebnisgesellschaft - neuerdings keineswegs mehr
allein mit anderen politischen Parteien. Zusätzlich konkurrieren
Parteien um Zeit und Aufmerksamkeit - und damit dem kostbarsten, was Menschen
zur Verfügung steht.
Der Politikwissenschaftlers Karl-Rudolf Korte fasst, auch unter den genannten
gesellschaftlichen, politischen und medialen Prämissen, Regieren
als "verflochtener, anspruchsvoller, kommunikationsabhängiger,
zeitaufwendiger, unkalkulierbarer und komplizierter" (Korte 2001)
zusammen.
4. Voraussetzungen für politische Kommunikation
Will eine Partei Subjekt der eigenen Inhalte statt nur Objekt des
Medieninteresses sein, will sie mithin den Verfassungsauftrag, bei der
politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken tatsächlich erfüllen,
steht sie vor einem Balanceakt. Der Medienwissenschaftler Matthias Kepplinger
skizziert die komplizierte Aufgabe: "Alle Politiker agieren in zwei
Arenen. In der einen Arena geht es um die sachgerechte Lösung von
Problemen - die Sicherung der Renten, den Abbau der Zölle, die Verbesserung
des Umweltschutzes usw. In der anderen Arena geht es um die Zustimmung
zu den handelnden Personen, um die Mehrheit innerhalb der eigenen Partei,
im Parlament und unter den Wählern." (Kepplinger Freiburg/München
1999) Politische Kommunikation ist eine Kernaufgabe der Demokratie, denn
wie anders soll Politik sich vermitteln, überzeugen und Menschen
den Zugang zu den politischen Willensbildungsprozessen ermöglichen:
Politische Kommunikation macht Politik sichtbar und erfahrbar insbesondere
für diejenigen, die keine direkten Kontakte zu den komplexen Prozessen
des politischen Systems haben.
Politische Kommunikation vermittelt Orientierungs-, Vorstellungs- und
Deutungsmuster.
Politische Kommunikation bietet gesellschaftlich notwendige Werte und
Konsensformen an.
Politische Kommunikation ermöglicht Identifikation und eine einen
emotionalen Zugang zum politischen System.
Politische Kommunikation konfrontiert Öffentlichkeit mit Herausforderungen,
Themen und Gestaltungsmöglichkeiten.
Politische Kommunikation zielt, in Konkurrenz zu konkurrierenden Lebens-
und Alltagwelten, ab auf Aufmerksamkeit im umkämpften Wahrnehmungsmarkt.
(vgl. Dörner 2001, S. 33-34) Sie kann Menschen erreichen, aber dafür
gibt es Voraussetzungen.
Politische Zustimmung durch die Bevölkerung ergibt sich nicht automatisch
aus handwerklich gut gelösten Problemen - sie benötigt Koordination,
Konzentration, Kommunikationsdisziplin und Kontroversen.
Koordination fordert alle am Beteiligten - Partei, Fraktion und
Regierung - sich miteinander abzustimmen und Strukturen miteinander zu
verknüpfen: Kernbotschaften und Kernthemen müssen auf allen
Ebenen der Organisation übereinstimmen. In der Organisation müssen
klare Strukturen, klare Aufgaben und richtige personelle Strukturen herrschen.
Ohne Organisation von Politik hat eine Partei vielleicht eine Vision,
aber sicherlich keine Strategie und kein Konzept. Koordinationsprobleme
nehmen mit der Anzahl der beteiligten Institutionen zu und unterscheiden
Regierungs- von Oppositionsparteienparteien, die weit weniger Akteure
koordinieren müssen. Eine Partei, die kein strategisches Zentrum
formen kann, ist weder entscheidungs- noch kommunikationsfähig.
Konzentration bedeutet eigene Gewinnerthemen zu erkennen, Kernbotschaften
zu entwickeln und mit Personen zu verknüpfen. Dazu benötigt
man Gewinnerthemen, die einerseits für die Bevölkerung wichtig
sind, zu der eigenen politischen Programmatik passen, und von Kernbotschaften
unterstützt werden, um ihnen Gehör zu verschaffen.
Kommunikationsdisziplin muss sichergestellt werden, um wenige,
aber übereinstimmende Kernbotschaften zu damit eine Erkennbarkeit
des eigenen politischen Wollens möglich ist. Das bedeutet nicht,
interne Diskussionen zu vermeiden. Vielmehr geht es darum, ein Bild nach
außen zu repräsentieren, das programmatisch, personell und
symbolisch mit dem übereinstimmt, was Parteien durch politische Diskussionen
mehrheitlich für richtig halten.
Kontroversen mit dem politischen Gegner sind notwendig, um die
Unterschiede der Parteien in Programmatik und Werte zu verdeutlichen.
Nur so erkennt der Wähler seine politische Optionen und gewinnt Orientierung
im politischen Diskurs.
Nicht alle Botschaften sind erfolgreich. Denn politische Kommunikation
ist umkämpft - es existieren Deutungen und Gegendeutungen. Zudem
ist das mediale Angebot nahezu exponentiell gewachsen. Viele bleiben im
Kommunikationsdickicht der Medien hängen und gelangen nicht zum Wähler.
Bestimmte Anforderungen an die Botschaften von Politik müssen erfüllt
sein:
Botschaften brauchen Programmatik: Ein Thema muss für die
Wähler von Interesse und Relevanz sein. Eine politische Botschaft
ohne Programm verpufft. Zudem kann eine noch so mediengerechte Präsentationskunst
Personen, Werte und Inhalte, die im Mittelpunkt der politischen Debatte
stehen, nie ersetzen.
Botschaften müssen inklusiv und exklusiv sein: möglichst
breite Wählerschichten müssen sich angesprochen fühlen,
dennoch muss das Profil von Parteien erkennbar sein. Parteien mit exklusiven
Botschaften sind Nieschenspieler im politischen Prozess.
Botschaften müssen glaubwürdig sein. Nur wer glaubwürdig
ist, kann überzeugen. Dazu müssen Person, Programm und Botschaft
in sich stimmig sein. Wer erfolgreich diese drei Elemente verknüpft,
kann nachhaltig wirken.
Botschaften müssen wiederholt werden. Nur so werden öffentlich
wahrgenommen werden.
Botschaften müssen individualisiert werden. Nur wenn Botschaften
dem Kommunikationsverhalten von Zielgruppen entsprechen, werden diese
sie aufnehmen.
Politische Botschaften müssen personalisiert werden: Sie sind
nur dann erfolgreich, wenn Personen sie verkörpern, denn Personen
stehen für Inhalte. Sie ermöglichen dem Publikum die Identifikation
mit der Politik, da handelnde Menschen Kontinuität und Orientierung
in ständig wechselnden Konstellationen repräsentieren.
5. Politische Kommunikation wird Wertekommunikation
Politische Auseinandersetzungen sind häufig von Detailismus in
Sachthemen geprägt. Dadurch kommuniziert die politische Klasse häufig
allein, aber nicht unbedingt mit denen, die sie erreichen will. Der thematische
Detaillismus und die Instrumentendebatte der Politik verdecken in der
Regel die unterschiedlichen Werte und gesellschaftspolitischen Leitbilder,
die sich hinter bestimmten Politikauffassungen und Themen verbergen. Dies
führt Politik als Technokratie vor und kann den Eindruck politischer
Beliebigkeit vermitteln. Werte, die "Vorstellung des Wünschbaren"
(Kluckholm 1951, S. 395), Motiv und Grundlage für politische Identifikationen,
sind eher das, was die Öffentlichkeit erwartet und konkurrierende
Parteien voneinander unterscheidet.
Eine gesellschaftliche Wertedebatte bietet dem politischen System eine
große Chance: Sie kann Politik und die damit verbundenen Wertvorstellungen
und Zielsetzungen vermitteln, die politischen Silhouetten sichtbarer machen
und die Menschen damit für Politik wieder begeistern. Eine Wertepolitik
kann Politik neue Anziehungskraft und Relevanz geben. Und Menschen in
einer komplexen Welt Orientierung vermitteln. (Vgl. Morris, 2001, 184.)
Politik, und damit auch politische Kommunikation muss sich im klaren sein,
welche Werte von politischer Relevanz sind, sie wird zur Wertekommunikation.
Wahlen werden gewonnen über Personen, Zukunftskompetenzen, Werte
und Vertrauensdimensionenn nicht über Einzelforderungen oder Programme.
"Elections are won by verbs - proposals for action - not by adjectives
which flatter a candidate" (Morris 1999, S. 32)
Literatur:
Bolz (2001), Norbert: Weltkommunikation,
Boyd-Barrett (2002), Oliver, in: Die Zeit, 17.Januar 2002, S.54
Jarren Ottfried: Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit
im Wandel, Wiesbaden, S. 75-76
Dörner (2001), Thomas: Politainment, Frankfurt
Kepplinger (1999), Matthias: Die Kontrahenten der Fernsehberichterstattung.
Analyse einer Legende, in: E. Noelle-Neumann / M. Kepplinger / W. Donsbach
Hg., Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf 1998,
Freiburg / München 1999
Kluckholm (1951), Clyde: Values and Value Orientation in the Theory of
Action, in: Talcott Parsons/Edwrad A. Shils (Hrsg.), Toward a General
Theory of Action, Cambridge
Kocks (2001) Klaus: Glanz und Elend der PR. Zur praktischen Philosophie
der Öffentlichkeit, 2001
Korte (2001), Karl-Rudolf: Regieren, in: Deutschland-Trendbuch: Fakten
und Orientierungen, Opladen 2001, S. 530
Morris (2001), Dick: Die sozialdemokratische Herausforderung: Der Übergang
von Wirtschaftsthemen zu Wertvorstellungen, in: Matthias Machnig/Hans-Peter
Bartels, Der Rasende Tanker, Göttingen 2001, 184.
Morris (1999), Dick: The New Prince. Machiavelli updated for the 21st
Century, Los Angeles 1999, S. 32
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